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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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angehörten, erschien gelegentlich faktisch dem Rat übergeordnet. Dies bleibt<br />

aber - wie so vieles bei Makarenko - unklar.<br />

In <strong>der</strong> Gorki-Kolonie bedurften alle Beschlüsse des Rates <strong>der</strong> Kommandeure<br />

<strong>der</strong> Zustimmung bzw. Gegenzeichnung des Kolonieleiters Makarenko. In<br />

<strong>der</strong> Dzierzynski-Kommune entfiel das.<br />

Die Erzieher hatten formal keine Befugnisse, sie wirkten vor allem informell.<br />

Wenn sie - wie üblich - an <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Abteilung teilnahmen, unterstanden<br />

sie formal dem jugendlichen Kommandeur. Ausnahmen waren <strong>der</strong><br />

Kolonieleiter Makarenko und <strong>der</strong> täglich wechselnde Diensthabende Erzieher,<br />

<strong>der</strong> gemeinsam mit dem Diensthabenden Kommandeur den Tagesablauf<br />

regelte und organisierte und den Kolonieleiter vertrat. Beson<strong>der</strong>s wichtige<br />

Fragen wurden allerdings vom Rat <strong>der</strong> Pädagogen und dem Rat <strong>der</strong> Kommandeure<br />

gemeinsam entschieden.<br />

Es bestand also eine sehr weitgehende Selbsttätigkeit und Selbstverwaltung<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen. Angesichts <strong>der</strong> von Makarenko formulierten<br />

(verlorenen) Verfassung <strong>der</strong> Gorki-Kolonie sowie <strong>der</strong> Verfassung des Landes<br />

FED (Makarenko 1974: 445 - 455) kann man (auch wenn im Poem davon<br />

wenig zu merke ist) davon <strong>aus</strong>gehen, daß sich diese Heime durch<strong>aus</strong> staatsartig<br />

verstanden, als Kin<strong>der</strong>- bzw. Jugendrepubliken. Die Sekundärliteratur<br />

zum Thema Selbstverwaltung ist bemerkenswert unergiebig.<br />

20.8.1. Selbstverwaltung versus Demokratie<br />

Aus <strong>der</strong> sehr weitgehenden Selbstverwaltung <strong>der</strong> Republik darf aber nicht einfach<br />

auf Demokratie o<strong>der</strong> Selbstbestimmung o<strong>der</strong> demokratische Selbstregierung<br />

geschlossen werden 547 . An<strong>der</strong>erseits bestand trotz allem militärischen<br />

Gehabe zweifellos auch keine einfache Diktatur des Leiters, son<strong>der</strong>n eine<br />

merkwürdige Zwischenform einer demokratischen Diktatur o<strong>der</strong> besser: populistisch-autoritären<br />

Republik.<br />

Deren Formen ähneln im Prinzip sowohl den <strong>der</strong> amerikanischen School<br />

City abgeschauten pädagogischen Vorschlägen des katholischen Moralpädagogen<br />

F. W. Foerster (vgl. Kapitel 5.; 11.1. und 20.6.3.1.) als auch dem<br />

leninistischen allgemeinen politischen Organisationsprinzip des Demokratischen<br />

Zentralismus 548 .<br />

547 Es ist mir unverständlich, wie selbst kritische Autoren wie Hillig u. Weitz (1971: 59) von<br />

einem demokratischen Regime sprechen können.<br />

548 Demokratischer Zentralismus war das allgemeine Organisations- und Leitungsprinzip<br />

bolschewistischer bzw. leninistischer Parteien und <strong>der</strong> von ihnen beherrschten sozialistischen<br />

Staaten. Er sollte die zentrale Planung, die führende Rolle <strong>der</strong> Arbeiterklasse und<br />

die Einheit aller gesellschaftlichen Kräfte sichern. Dies bedeutete einerseits zentrale<br />

Leitung und Planung von oben (Zentralismus), verbunden mit strenger Disziplin, Unterordnung<br />

und ab-<br />

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