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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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20.7.3. Grundannahmen bei den Pädologen und bei Makarenko<br />

Makarenko verwendete den Begriff Pädologie 542 als Sammelbegriff für alle<br />

Pädagogik, die vom Studium <strong>der</strong> individuellen (körperlichen und psychischen)<br />

Natur des Kindes <strong>aus</strong>geht und dar<strong>aus</strong> Erziehungsmethoden ableitet.<br />

Makarenkos Kritik an <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen den hohen, allgemein formulierten<br />

Zielen einerseits und den den real existierenden Pädagogen zur<br />

Verfügung stehenden extrem geringen Möglichkeiten (vgl. Kapitel 20.3.1.),<br />

Fähigkeiten, Erfahrungen, Methoden und Mitteln zur Umsetzung dieser Ziele<br />

an<strong>der</strong>erseits erscheint sehr begründet. Makarenko machte in seinen Schriften<br />

für die Hilflosigkeit <strong>der</strong> Erzieher gegenüber den verwil<strong>der</strong>ten, moralisch defektiven<br />

schwererziehbaren Kin<strong>der</strong>n nicht die äußeren Umstände, son<strong>der</strong>n die<br />

Pädologie verantwortlich, den Glauben <strong>der</strong> Pädologen an die spontane Entwicklung<br />

<strong>der</strong> natürlichen kindlichen Kräfte durch Vertrauen, Selbstorganisation<br />

und freiwillige Disziplin hin zum Guten. Er bezog schließlich eine radikale<br />

theoretische Gegenposition:<br />

Er vertraute gar nicht auf die kindliche Natur, auf natürliche Strebungen,<br />

die darauf aufbauende Selbstorganisation und dann das natürliche Wachstum<br />

des Kollektivs, das Erziehungsziel des echten, vollen Menschen mit harmonischer<br />

Persönlichkeit, und verspottete die Naturanhänger nur noch.<br />

Stattdessen wollte er die Gruppe gewissermaßen künstlich durch den Erzieher<br />

gestalten (organisieren) und zu vordefinierten Zielen hin erziehen. Er<br />

wollte gezielt mit For<strong>der</strong>ung und Perspektive führen statt von innen her<strong>aus</strong><br />

wachsen zu lassen. Die Beherrschung <strong>der</strong> pädagogischen Technik in diesem<br />

Sinne war für ihn pädagogische Meisterschaft:<br />

„Diesen Weg von <strong>der</strong> diktatorischen For<strong>der</strong>ung des Leiters bis zur freien For<strong>der</strong>ung<br />

jedes einzelnen an sich selbst, auf Grund <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen des Kollektivs, betrachte<br />

ich als den Hauptweg <strong>der</strong> Entwicklung des sowjetischen Kin<strong>der</strong>kollektivs“<br />

(Makarenko, Versuch einer Methodik für die Arbeit in einer Arbeitskolonie (1932) in<br />

<strong>Wer</strong>ke V: 486), zitiert bei Anweiler 1963: 279).<br />

542 Der um 1900 häufig gebrauchte Begriff Pädologie (griechisch: Lehre vom Kind) bezeichnete<br />

ganz allgemein die Kin<strong>der</strong>kunde o<strong>der</strong> Jugendkunde, also die beschreibende(n)<br />

und verstehende(n) empirische(n) Wissenschaft(en) vom Kinde im Sinne einer Zusammenfassung<br />

verschiedener Einzelwissenschaften, die das tatsächliche gesunde wie kranke<br />

Kind (Individuum), seine Eigenschaften, Fähigkeiten, Bedürfnisse, seine Entwicklung<br />

und Umwelt erforschen. Und zwar zu allen historischen Zeiten in allen Gesellschaften,<br />

sowohl körperlich (anthropologisch, medizinisch) wie psychologisch, pädagogisch und<br />

soziologisch, aber auch juristisch, ethnologisch, kulturgeschichtlich. In <strong>der</strong> Pädologie war<br />

- im Gegensatz zur Pädagogik - noch keine Ziellehre enthalten. Insbeson<strong>der</strong>e die Kin<strong>der</strong>und<br />

Jugendpsychologie spielte in <strong>der</strong> Pädologie eine grosse Rolle. Vgl. Hehlmann, Wörterbuch<br />

<strong>der</strong> Pädagogik. Stuttgart: Kröner 1971; Lexikon <strong>der</strong> Pädagogik <strong>der</strong> Gegenwart.<br />

Freiburg: Her<strong>der</strong> 1930: I 1166, 1281; II 1068.<br />

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