Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

allem der ‚Kommandeur-Pädagogik‘ der Zöglingsselbstverwaltung. Andere Einwände
waren, daß seine Darstellung die formale Seite der schulischen Bildung vernachlässige
- was insofern nicht überrascht, als die Schule in der Gor'kij-Kolonie voll und ganz
auf der ‚Komplexmethode‘ gründete, die in dem Parteibeschluß von 1931 ausdrücklich
verurteilt worden war - und daß sein Ansatz intuitiv, anti-wissenschaftlich und
anti-pädagogisch sei.“ (Dunstan 1984: 75)
Gegen Ende der 20er Jahre gewannen Makarenkos Vorstellungen und Methoden
langsam an Boden. Der ehemalige General Bubnow wurde Volkskommissar
für das Bildungswesen der maßgeblichen Nachbarrepublik Rußland
(RSFSR), das seine Anweisungen nun in Form von Kampfbefehlen herausgab
und Rapporte forderte. 1929 wurde die Wehrerziehung in sowjetischen
Schulen eingeführt. Spätestens durch den Beschluß des ZK der
KPdSU(B) vom 5. September 1931 Über die Grund- und Mittelschule 539
begann eine neue Periode der sowjetischen Schulgeschichte. Noch wurde
zwar auch die Pädologie amtlich unterstützt, doch die Disziplin wurde wesentlich
stärker betont. Schließlich wurde die sogenannte Pädologie im ZK-
Beschluß Über die Pädologischen Abweichungen im Bereich der Volkskommissariate
für Bildungswesen 540 vom 4. Juli 1936 als pseudowissenschaftlich
und antimarxistisch verurteilt und damit politisch vernichtet. Inzwischen
wurde Makarenkos Poem bereits als zu reformpädagogisch und nicht mehr
als zu autoritär kritisiert.
Makarenko sah in diesen beiden wesentlichen Beschlüssen die Chance zur
Durchsetzung seiner pädagogische Vorstellungen und arbeitete sie zu dieser
Zeit entsprechend aus in den drei Buchprojekten Disziplin, Versuch einer
Methodik für die Arbeit in der Kinderarbeitskolonie (November bzw. Dezember
1931) und Methodik der Kommunistischen Erziehung (Juli 1936).
Allerdings war Makarenko durchaus nicht überall konform: Er wandte sich
unter Berufung auf Ideen der Sozialerziehung von 1920 gegen die Beschränkung
der Heimerziehung auf obdachlose und verwahrloste Kinder und gegen
die Verschulung der Kinderheime; beides deutlich gegen den ZK-Beschluß
vom 5. September 1931. Ebenso verurteilte er unter Berufung auf Marx (was
damals durchaus unpopulär war) die im März 1937 angeordnete Abschaffung
des Werkunterrichtes, verteidigte also reformpädagogische Positionen (vgl.
Anweiler 1963: 289 - 291; Hillig 1980: 132 - 134).
Makarenko war in den 20er Jahren ziemlich isoliert, als wissenschaftsfeindlich,
willkürlich, autoritär, militaristisch und als überheblicher Kasernenund
Prügel-Pädagoge verschrien, wurde entlassen und, obwohl er eher als
Literat denn als Pädagoge betrachtet wurde, bei der Veröffentlichung seiner
Schriften behindert.
539 In deutscher Sprache in: Anweiler u. Meyer (Ed. 1979: 178 - 186).
540 In deutscher Sprache in: Anweiler u. Meyer (Ed. 1979: 227 - 231).
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