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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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3.3. Kritik <strong>der</strong> kasernenartigen alten Anstaltsdisziplin<br />

Nicht nur die Vergeltungsstrafe, son<strong>der</strong>n auch die Besserung durch direkte<br />

Erzwingung des richtigen Verhaltens erscheint problematisch und langfristig<br />

unwirksam. Darum for<strong>der</strong>te man 33 die Ersetzung <strong>der</strong> Anstalts-Zwangsdisziplin<br />

durch erzieherisch wirksamere Maßnahmen.<br />

Die traditionelle Anstalt, auch die Erziehungsanstalt, orientierte sich am<br />

idealtypischen Modell <strong>der</strong> Kaserne, das Bernfeld (1974b) beschrieb:<br />

Ein oft uniformiertes und numeriertes, zwangsrekrutiertes und völlig <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chbares<br />

Zöglingsmaterial wurde durch Befehle einheitlich straff und zentral<br />

von oben befehligt und gelenkt, häufig von ehemaligen Unteroffizieren,<br />

mit Drill, Gleichschritt, Zweierreihen, Strammstehen und militärischen Formen.<br />

Sämtliche Handlungen <strong>der</strong> Insassen waren mittels einer strengen formalen<br />

(militärischen) Disziplin und Ordnung eindeutig und exakt in allen Einzelheiten<br />

reglementiert. Die Einhaltung <strong>der</strong> Regeln wurde scharf überwacht<br />

und durch harte Strafen erzwungen.<br />

Die idealtypische Kaserne ist ein Musterbeispiel rationaler und einfacher<br />

Zwangsherrschaft. Für persönliche Willkür, Vorlieben und Gefühle bleibt hier<br />

kein Raum (im Idealtyp!), es werden lediglich die exakten Befehle, die letztlich<br />

alle vom Oberkommandierenden <strong>aus</strong>gehen, exakt, absolut und unbedingt<br />

befolgt (militärischer Gehorsam). Eine so organisierte Erziehungsanstalt läßt<br />

sich leicht verwalten und in den bürokratischen Instanzenzug einordnen. Den<br />

vorgesetzten Verwaltungsbehörden, die <strong>aus</strong> Juristen, Wirtschafts- und Verwaltungsfachleuten<br />

(nicht Pädagogen!) zusammengesetzt sind, erscheint die<br />

Anstalt mit gutem Grund rational, denn richtige Handlungen, vor allem die<br />

Einhaltung von Reglement und Ordnung, lassen sich einfach und effektiv<br />

herstellen, d. h. erzwingen. Erfolge sind so als harte Fakten objektiv meßbar,<br />

beweisbar und lassen sich gut als Argumente nutzen.<br />

Den zahlreichen guten Gründen für die militärisch- formale Kasernendisziplin<br />

steht vor allem ein Nachteil gegenüber: die pädagogische Wirkung.<br />

Purer Zwang ist noch keine Erziehung, auch wenn solche Disziplin häufig<br />

ungeprüft als Erziehung zu und Gewöhnung an Disziplin, Ordnung und<br />

Pflichtgefühl angesehen wird. Zwang erzeugt nicht nur Gewöhnung an, son<strong>der</strong>n<br />

auch Abneigung gegen das erzwungene Verhalten. Wenn <strong>der</strong> Zwang<br />

nach <strong>der</strong> Entlassung entfällt, siegt leicht die Abneigung für immer über die<br />

erzwungene und verhaßte Gewohnheit.<br />

33 Siehe hierzu Bernfeld (1974b), Holl (1971 Kapitel 6), und Wills (1964a: 87 f.).<br />

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