Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

verwahrloste Kolonie mit 280 Jugendlichen, in der Diebstahl, allgemeine
Auflösung und Terror regierten.
Makarenko beschrieb diesen Angriff auf Kurjash in militärischen Begriffen,
wobei er sich selbst als den Feldherrn Napoleon sah.
20.6.5. Entlassung und weiterer Lebensweg Makarenkos
20.6.5.1. Entlassung 1928
Im April 1928 berichtete der führende Pädologe A. B. Zalkind in der ukrainischen
Komsomol-Zeitschrift Dytjacyj ruch, daß die von der lokalen Komsomolorganisation
in Charkow eingerichtete Kommission zur Untersuchung von
Übergriffen in Kinderheimen herausgefunden habe, daß in der Gorki-Kolonie
körperliche Züchtigung angewandt wurde 533 . Zalkind warf Makarenko außerdem
vor, in der Kolonie keine Pionier-Gruppe (für die 10 - 14jährigen)
eingerichtet zu haben. Diese Vorwürfe wurde dann von Lenins Witwe Nadesha
Krupskaja auf dem 8. Komsomolkongreß im Mai 1928 unionsweit offen
bekanntgemacht, allerschärfstens kritisiert und mit der Forderung nach Abschaffung
des Kommandeurssystems und der Ersetzung Makarenkos durch
ein Parteimitglied verbunden. Hinzu kam ein Streit mit dem Ukrainischen
Volksbildungskommissariat,
„das auf der Übernahme des damals in der Republik verbindlichen Systems der Zöglingsselbstverwaltung
- mit einem von der Vollversammlung gewählten Kinderexekutivkomittee
- durch die Gorki-Kolonie und die Aufgabe der dort praktizierten Variante
eines durch Ernennung und nicht durch Wahl gebildeten Rats der Abteilungskommandeure
bestand.“ (Hillig 1980: 133; zum gesamten Vorgang vgl. Dunstan
1984: 71 f.; auch Anweiler 1963: 276, Anm. 31).
Am 3. September 1928 wurde Makarenko von seinem Posten als Leiter der
Gorki-Kolonie entfernt. Er selbst und seine Apologeten gaben als Grund der
Entlassung stets nur den Streit mit dem Ukrainischen Volksbildungskommissariat
an. Die (ausgerechnet!) von den führenden Pädologen Zalkind und
Krupskaja (Lenins Witwe!) und dem Kommunistischen Jugendverband Komsomol
gemeinsam bewirkte Entlassung des später zum bedeutendsten Sowjeterzieher
aufgebauten Makarenko hätte die Einheitlichkeit des ideologischen
Bildes empfindlich gestört und wurde allgemein verschwiegen. Die Pädologie
wurde 1936 amtlich verurteilt.
533 Schon in Herbst 1927 gab es solche Vorwürfe, auch gegen Erzieher und Leiter anderer
Kolonien, die Makarenko in seiner Funktion als Bezirksinspektor des Volksbildungsamtes
entschieden verteidigte. Siehe dazu Hillig (1978).
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