Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

daß diese Vorstellung - auf welchem Umweg und über welche Vermittlung
auch immer (auch Foerster erwähnt sie kurz) -, ihren Ursprung letztlich in der
George Junior Republic hat. George wie Makarenko versuchten, mit ihrer
Pädagogik an das (jeweilige) politische System anzuknüpfen und ganz bewußt
auf den (betont bejahten! jeweilig bestehenden) Staat hin zu erziehen,
wobei sie ihr Heim (fälschlich) als ganz normales Arbeitskollektiv bzw. als
Dorf wie jedes andere sahen. Neben dieser vaterländischen Identifikation ist
beiden auch eine militärische Komponente gemeinsam: uniformierte bewaffnete
Jugend-Kompanien mit Exerzier- und Gefechtsübungen. Und ebenso der
Versuch, eine landesweite Föderation gleichartiger Heime zu gründen. Beide
Einrichtungen wurden nach einer extrem chaotischen Anfangszeit, in der die
Gründer mehrfach ihre Existenz riskierten, später zu sehr (!) geordneten Einrichtungen.
Beide hatten koedukative Heime, was recht selten ist.
Beide betonten, daß die gesamte Gewalt bei den Jugendlichen liegen sollte
und die Erwachsenen keinerlei Vorrechte haben sollen. Beide griffen trotzdem
ein, George jedoch gegen seine eigentliche Überzeugung, so daß er sich
Eingriffe selbst kaum eingestand, Makarenko dagegen systematisch und bewußt,
wenngleich so indirekt, daß die Selbstverwaltung nicht gestört wurde.
Beide gingen aus von einfachen vorfreudianischen psychologischen Vorstellungen,
beide arbeiteten stark intuitiv, betonten stark die Notwendigkeit
von Strafen, und daß Diebe in ihren Heimen nicht so sehr in Konflikt mit dem
Leiter, sondern mit den Kameraden gerieten (was ebenfalls unüblich ist).
Trotz einer (theoretisch) eher brutalen Erziehungsphilosophie bauten sie tatsächlich
herzliche, liebevolle, persönliche, emotionale Beziehungen zu ihren
Jugendlichen auf.
Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede: Der Disziplin-, Militär- und
Kollektiv-Begeisterung bei Makarenko steht bei George ein starkes Freiheitspathos
und eine betonte Vereinzelung der Jugendlichen gegenüber.
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„Anfangs hatten wir keine Verfassung. Die Kommandeure wurden von mir ernannt, aber
je näher der Frühling kam, desto häufiger hielt ich Beratungen der Kommandeure ab, denen
die Jungen bald einen neuen und schönen Namen gaben: Rat der Kommandeure.
Bald hatte ich mich daran gewöhnt, wichtige Entscheidungen nicht ohne den Rat der
Kommandeure zu treffen. Allmählich ging auch die Ernennung der Kommandeure an den
Rat über, der sich nunmehr auf diese Weise ergänzte. Die Wahl der Kommandeure durch
die Kolonisten und ihre Rechenschaftspflicht vor den Zöglingen waren Dinge, die wir
nicht so bald erreichten; ich hielt indessen solche Wählbarkeit niemals und halte sie auch
heute noch nicht für eine sonderliche Errungenschaft.“ (Makarenko 1970: 217 f.)