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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Ein Zusammenhang zwischen Makarenkos Studium einerseits und <strong>der</strong> Einführung<br />

von Selbstverwaltung an<strong>der</strong>erseits liegt nahe. Falls Makarenko sich<br />

in seinem kurzen Studium intensiver mit <strong>der</strong> einschlägigen Literatur zur Moralerziehung<br />

und / o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> (amtlich und gesetzlich gefor<strong>der</strong>ten!) Selbstverwaltung<br />

von Kolonien und / o<strong>der</strong> Reformatorien beschäftigt hat, ist es sehr<br />

wahrscheinlich, daß er mit den Schriften o<strong>der</strong> Ideen von F. W. Foerster sowie<br />

von W. R. George Bekanntschaft gemacht hat. Es erscheint mir wahrscheinlich,<br />

daß Makarenko Teile seiner Kollektiverziehungs-Konzeption hier<br />

übernommen hat.<br />

Denn Foerster 527 gehörte (insbeson<strong>der</strong>e mit seinem Hauptwerk Schule und<br />

Charakter) zu dem runden Dutzend <strong>der</strong> international führenden Reformpädagogen,<br />

die in Rußland zu den einflussreichsten Autoren zählten (vgl. Anweiler<br />

1964: 45). Foerster war dabei <strong>der</strong> für moralische Umerziehung und für<br />

Selbstverwaltung international führende, also für Makarenkos Selbstverwaltung<br />

<strong>der</strong> zuständige Pädagoge.<br />

Foersters und Makarenkos Selbstverwaltungskonzepte sind durch<strong>aus</strong> ähnlich<br />

und stehen damit in deutlichem Gegensatz zu den psychoanalytisch orientierten<br />

Selbstregierungs-Praktikern wie Lane, Wills, Neill und Bernfeld.<br />

Beiden geht es um normative Erziehung und Charaktererziehung, vor allem<br />

um Willensbildung. Beide bedienen sich weitgehend ähnlicher Methoden. Die<br />

Ziele, Normen und <strong>Wer</strong>te liegen dabei von vornherein bereits undiskutierbar<br />

als zweifelsfrei richtig fest, und <strong>der</strong> Erzieher kennt (o<strong>der</strong> definiert) diese richtigen<br />

Ziele und muß sie nur noch in <strong>der</strong> Psyche <strong>der</strong> Zöglinge verankern.<br />

Trotz gegensätzlicher politischer Ideologie und Weltanschauung<br />

(christliche-abendländische Kultur einerseits gegen Bolschewismus an<strong>der</strong>erseits)<br />

erscheinen die Inhalte relativ leicht <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chbar, die beim Jugendlichen<br />

zu erzeugende Persönlichkeit ist bei beiden sehr ähnlich: Es geht um Härte<br />

und heldenhafte Askese zugunsten höherer Ziele, um Gehorsam, Disziplin,<br />

völlige Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle, Würde, Sitte, Tradition, Ehre,<br />

Moral, Tugenden, Härte und Abhärtung, eine gewisse Genußfeindschaft<br />

und Askese (soldatisch-einfaches Leben).<br />

Erziehung ist hier ein Macht-<strong>Kamp</strong>f zwischen Erzieher und Zögling, in dem<br />

<strong>der</strong> Erzieher durch subtiles, möglichst nicht offen-gewaltsames Aufzwingen<br />

seines Willens, etwa durch unwi<strong>der</strong>stehliche For<strong>der</strong>ungen, Suggestion, Beeindrucken,<br />

Lohn, Spott etc. die unbedingte psychische Herrschaft über den<br />

Zögling zu gewinnen sucht. Erziehung erscheint vor allem als Technik und<br />

Methode, mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> noch unvollkommene, schlechte, naturwüchsige Mensch<br />

von heute durch gezieltes An-Erziehen erwünschter Ei-<br />

527 Der heute zu Recht vergessene Foerster (vgl. Kapitel 5) zählte seinerzeit zu den einflussreichsten<br />

pädagogischen Autoren überhaupt!<br />

507

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