Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Im (Spät-) Sommer 1922 wurde innerhalb der Kolonie kaum noch gestohlen,
die Älteren machten den Neulingen bald klar, daß ein Dieb es nicht
so sehr mit dem Leiter, sondern vor allem mit den völlig mitleidslosen Kameraden
zu tun bekäme. Allerdings wurde dafür aber umso mehr, professionellperfekter
und hochorganisiert in Bauernkeller eingebrochen und von Bauernfeldern
gestohlen. Makarenko schützte die Diebe zwar nach außen, bekämpfte
sie aber innerhalb der Kolonie.
20.6.3. Die Entstehung der Selbstverwaltung
Der Hinauswurf der beliebten Kameraden und Anführer beendete zwar die
Diebstähle, verstörte und verwirrte das Kollektiv im Spätherbst 1922 aber
stark. Landwirtschaftlicher Mißerfolg kam hinzu, und erneut zweifelten Makarenko
und die Erzieher mutlos und hoffnungslos am ganzen Erziehungskonzept
und glaubten nicht mehr an den Erfolg.
Relativ plötzlich setzte Makarenko verstärkt Disziplin und militärische
Formen als Mittel ein:
Makarenko unterdrückte nun die übliche Schlappheit des Intellektuellen
durch betont sicheres äußeres Auftreten, Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin,
verlangte von der Kolonie unbarmherzig Leistung, Präzision, und
Pünktlichkeit. Er verstärkte auch instinktiv den militärischen Unterricht auf
täglich 1 - 2 Stunden nach der Arbeit: Mit echten Gewehren wurden in Geländeübungen
Bajonettangriffe geführt und Schützenketten eingeübt
(Makarenko 1970: 198, 199). Die verängstigten Bauern rüsteten zur Verteidigung.
„So nahm bei uns das militärische Spiel seinen Anfang, das später eines der Hauptmotive
in unserer ganzen Sache wurde.
Vor allem bemerkte ich den guten Einfluß einer richtigen militärischen Haltung.
Das Äußere des Kolonisten veränderte sich völlig; er wurde stattlicher und schlanker,
flätzte sich nicht mehr auf den Tisch, lehnte sich nicht mehr an die Wand, stand ruhig
und frei, ohne sich zu stützen. Ein neuer Kolonist unterschied sich bereits merklich
von einem älteren. Der Gang der Jungen wurde sicherer und federnder, den Kopf trugen
sie höher und hatten nicht mehr die Angewohnheit, die Hände in die Taschen zu
stecken.
In ihrer Begeisterung für die militärischen Übungen ersannen die Kolonisten selbst
viel Neues, das ihrer natürlichen kindlichen Neigung zum Matrosen- und Soldatenleben
entsprang. Damals wurde in der Kolonie die Regel eingeführt, daß jeder Auftrag
mit einem ‚Jawohl!‘ beantwortet werden mußte, wobei diese ausgezeichnete Formel
durch den Pioniergruß unterstrichen wurde. Damals wurden in der Kolonie auch
Trompeten eingeführt.“ (Makarenko 1970: 200)
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