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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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„Pestalozzi, Rousseau, Natorp, Blonski! Wieviel Bücher, wieviel Papier, wieviel<br />

Ruhm! Und dabei völlige Leere. Nichts! Nicht einmal mit einem Rowdy kann man<br />

fertigwerden, keine Methode, kein <strong>Wer</strong>kzeug, keine Logik - einfach <strong>nichts</strong>. Man<br />

kommt sich vor wie ein Scharlatan.“ (Makarenko 1970: 119)<br />

Mitte April 1922 hielt Makarenko auf dem Lehrerkongreß einen Vortrag<br />

über seine Ansichten zur Disziplin (vgl. Kapitel 20.7.2.), <strong>der</strong> allgemein<br />

starkes Entsetzen hervorrief, das Volksbildungsamt als Träger <strong>der</strong> Kolonie<br />

sprach von Folterkammer und Gendarmenexperiment. Makarenko rechnete<br />

bereits mit <strong>der</strong> zwangsweisen Schließung <strong>der</strong> Kolonie (vgl. Makarenko 1970:<br />

140 f.). Wegen Ungehorsam sollte Makarenko im Frühling 1922 inhaftiert<br />

und zeitweise seines Postens enthoben werden. Der Inspektor und <strong>der</strong> Leiter<br />

<strong>der</strong> Arbeiter-und Bauern-Inspektion, die dies in <strong>der</strong> Kolonie anordnen wollten,<br />

wurden von den wütenden Jugendlichen fast nie<strong>der</strong>gestochen und flüchteten<br />

nur mit knapper Not (Makarenko 1970: 143 - 147).<br />

Als eines <strong>der</strong> sechs Mädchen <strong>der</strong> Kolonie im April nach heimlicher Geburt<br />

ihr Kind tötete, sah Makarenko erneut das Ende <strong>der</strong> Kolonie nahe. Das Mädchen<br />

wurde von den Behörden zu Gefängnis verurteilt, die Strafe aber zur<br />

Bewährung in <strong>der</strong> Gorki-Kolonie <strong>aus</strong>gesetzt (Makarenko 1970: 130 f.).<br />

Makarenkos militärtaktischer Unterricht mit Übungen im Kompaniemaßstab<br />

befähigte die Kolonisten, auch bewaffnete Feldwächter in die Flucht zu<br />

schlagen. In siegreicher Schlacht gegen die Polizei verhin<strong>der</strong>ten die Kolonisten<br />

sogar eine H<strong>aus</strong>durchsuchung (Makarenko 1970: 151 f.).<br />

Die Kolonie verkam im Frühling 1922 zusehends zum Diebesnest, die Diebesabenteuer<br />

waren das Hauptinteresse <strong>der</strong> Jugendlichen und verdrängten alle<br />

pädagogischen Aktivitäten. Als einer <strong>der</strong> Jugendlichen als Räuber geschnappt<br />

wurde, konnte Makarenko gerade noch am Selbstmord gehin<strong>der</strong>t werden. Die<br />

Kameraden prügelten den Räuber fast tot, reagierten selber aber nicht auf<br />

Makarenkos Vorhaltungen und stahlen weiterhin. Um die Kolonie zu retten,<br />

warf Makarenko die beiden Hauptorganisatoren <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Kolonie und nahm<br />

ihnen dabei einen Revolver ab. Sie wurden Straßenräuber an <strong>der</strong> Landstraße.<br />

Der bei<strong>der</strong>seitig wohlbegründete Haß zwischen Bauern und Kolonie wuchs,<br />

<strong>der</strong> Streit um den Besitz des Adelsgutes wurde auch im Sommer weiterhin<br />

gewalttätig <strong>aus</strong>getragen.<br />

Im Sommer 1922 t<strong>aus</strong>chte Makarenko ein von <strong>der</strong> (enorm mächtigen) Arbeiter-und-Bauern-Inspektion<br />

nur <strong>aus</strong>geliehenes Pferd unerlaubt gegen eine<br />

dringend benötigte Mähmaschine. Um Makarenko und die Kolonie nicht zu<br />

ruinieren, verzichtete <strong>der</strong> kürzlich nur knapp entkommene Behördenleiter, mit<br />

dem Makarenko sich inzwischen angefreundet hatte, schließlich auf sein<br />

Recht. (Makarenko 1970: 162 - 177).<br />

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