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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Zusammen mit zwei jungen Erziehern, vier 18jährigen bewaffneten Räubern<br />

sowie zwei jungen Dieben eröffnete Makarenko im Dezember<br />

1920 524 die Gorki-Kolonie in den Ruinen einer alten Anstalt, 6 km von<br />

Poltawa entfernt an <strong>der</strong> Landstraße nach Charkow. Die Pädagogen waren<br />

völlig hilflos und fürchteten um ihr Leben, denn die umzuerziehenden Jugendlichen<br />

stahlen, zerstörten, waren höhnisch und frech, verweigerten jegliche<br />

Arbeit und kamen und gingen, wann und wohin sie wollten. Schon nach<br />

einer Woche wurde <strong>der</strong> erste wegen Raubmord verhaftet. Sie<br />

„spielten demonstrativ mit ihren finnischen Messern und erkundigten sich spöttisch<br />

nach unseren Habseligkeiten“ (Makarenko 1970: 30).<br />

Makarenko wollte unter keinen Umständen nachgeben. Doch er suchte in <strong>der</strong><br />

pädagogischen Literatur vergeblich nach Rezepten für seine Probleme.<br />

„Ich war auf alles gefaßt und beschloß, mein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.<br />

In meiner Tasche hatte ich ja noch den Revolver.“ (Makarenko 1970: 31)<br />

Als ein Zögling (wohl im Januar 1921) bei einer Arbeitsverweigerung Makarenko<br />

auch noch duzte und ihn so zutiefst beleidigte, prügelte <strong>der</strong> körperlich<br />

weit unterlegene Makarenko den völlig Verblüfften in ohnmächtiger Wut.<br />

Seitdem fügten sich die Jugendlichen seinen Anordnungen und begannen<br />

langsam, ihn als ihren Führer anzuerkennen und als ihren Helden zu verehren.<br />

Makarenko drohte seitdem häufiger. Obwohl sie sämtlich kräftiger als Makarenko<br />

waren, fürchteten die Jugendlichen seine Prügel weit mehr als Polizei<br />

und Gefängnis. Makarenko sah zwar die Illegalität und Unsinnigkeit von Prügeln<br />

im Prinzip ein, war an<strong>der</strong>erseits aber beeindruckt von ihrem Erfolg, und<br />

wurde „fest entschlossen, Diktator zu sein, wenn ich's auf an<strong>der</strong>e Weise nicht<br />

schaffte.“ (Makarenko 1970: 33)<br />

Die Kolonie war ebenso wie das ganze Land unglaublich arm, es mangelte<br />

an allem, vor allem an Nahrung, Kleidung, Schuhen (im russischen Winter!)<br />

und Heizmaterial. Durch Bettelei und Betrug erbeutete Makarenko einige Lebensmittel,<br />

trotzdem blieb <strong>der</strong> Hunger. Die Jugendlichen stahlen weiterhin<br />

sowohl bei den umliegenden Bauern als auch <strong>aus</strong> den spärlichen Nahrungsvorräten<br />

<strong>der</strong> Kolonie, ebenso Bettzeug, Geschirr, <strong>Wer</strong>kzeug und<br />

1927 360 Herbst: Eröffnung 60<br />

1928 400 150<br />

1931 - - Herbst: Verdoppelung auf 300<br />

1935 - - Juni: 500<br />

524 Dies Kapitel ist im wesentlichen eine Kurz-Zusammenfassung des Teils 1 von Makarenkos<br />

Hauptwerk Ein Pädagogisches Poem. Ich beschränke mich auf die Gorki-Kolonie,<br />

und hier vor allem auf die frühen Jahre, in denen Makarenko seine Konzeption entwickelte<br />

und festigte. Die Zeitangaben lassen sich einigermaßen rekonstruieren, da <strong>der</strong> Roman<br />

chronologisch angelegt ist und gelegentlich auch Zeitangaben eingestreut sind.<br />

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