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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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herrschenden reformpädagogischen Pädologie dar. Er warf ihr vor, hohe und<br />

vage Ziele und Ideale, Freiheit und Liebe zu empfehlen, aber keine Handlungsanleitungen,<br />

Hilfen und Techniken zu haben, vor allem zu kritisieren<br />

und zu hin<strong>der</strong>n, den Praktiker aber nur mit unbrauchbaren, abstraktakademischen<br />

Formeln abzuspeisen und ihn dann im Stich lassen. Die Pädologie<br />

sei eine am grünen Tisch entstandene, unpraktikable Theorie von Intellektuellen,<br />

die sie selbst - auch <strong>aus</strong> Angst vor den gewalttätigen Zöglingen -<br />

nicht praktizieren wollten und könnten, sei bloß eine hohle Phrase. Im Poem<br />

beschrieb er nachträglich seine verzweifelte vergebliche Suche in <strong>der</strong> pädagogischen<br />

Literatur nach konkreten Hilfsmitteln, Techniken und Patentrezepten<br />

in den Anfangswochen <strong>der</strong> Gorki-Kolonie:<br />

„Das Hauptergebnis dieser Lektüre war für mich die feste Gewißheit (!), von <strong>der</strong> ich<br />

plötzlich unerschütterlich (!) überzeugt war, daß ich mit all (!) diesen Büchern keinerlei<br />

(!) Wissenschaft in meinen Händen hatte und auch keine Theorie, daß die Theorie<br />

erst <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> sich vor meinen (!) Augen abspielenden realen Erscheinungen<br />

abgeleitet werden müsse.“ (Makarenko 1970: 29 f.; Ausrufezeichen von mir)<br />

Und im Frühling 1922:<br />

„Mich empörte es, wie schlecht die Technik <strong>der</strong> Erziehung <strong>aus</strong>gebildet war, und mich<br />

empörte meine technische Ohnmacht. Mit Wi<strong>der</strong>willen und Erbitterung dachte ich an<br />

die pädagogische Wissenschaft.<br />

Wieviel Jahrt<strong>aus</strong>ende besteht sie schon! Welche Namen, welch glänzende Gedanken!<br />

Pestalozzi, Rousseau, Natorp, Blonski! Wieviel Bücher, wieviel Papier, wieviel<br />

Ruhm! Und dabei völlige Leere. Nichts! Nicht einmal mit einem Rowdy kann man<br />

fertigwerden, keine Methode, kein <strong>Wer</strong>kzeug, keine Logik - einfach <strong>nichts</strong>. Man<br />

kommt sich vor wie ein Scharlatan.“ (Makarenko 1970: 119)<br />

Während seiner praktischen pädagogischen Tätigkeit scheint Makarenko anfänglich<br />

kein Gegner, son<strong>der</strong>n eher ein Anhänger <strong>der</strong> Pädologie gewesen zu<br />

sein. Die (im wesentlichen auf Makarenko selbst zurückgehenden) Berichte<br />

über seine Arbeit dort stellen ihn aber stets als entschiedenen Gegner <strong>der</strong> Pädologie<br />

dar. Die folgende Beschreibung <strong>der</strong> Arbeit Makarenkos kommt gar<br />

nicht darumherum, sich auf diese - offenbar weitgehend falschen - Berichte zu<br />

stützen, also nicht über die tatsächliche Arbeit Makarenkos zu berichten (über<br />

die relativ wenig bekannt ist), son<strong>der</strong>n ersatzweise über die literarische Fiktion.<br />

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