09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lungen seiner Gegner handelte. Erst nach dem Bruch mit seinen bisherigen Vorgesetzten<br />

kristallisieren sich die Gegensätze deutlicher her<strong>aus</strong>, die schließlich zu <strong>der</strong> klar<br />

umrissenen neuen Konzeption <strong>der</strong> Kollektiverziehung im Unterschied zur Sozialerziehung<br />

und zu seinem Begriff <strong>der</strong> ‚dialektischen Pädagogik‘ im Gegensatz zur Pädologie<br />

führten.“ (Anweiler 1963: 277)<br />

Der erste Teil des Poem wurde in <strong>der</strong> Zeit dieses Umbruchs verfasst, und er<br />

scheint mir den Wandel auch durch<strong>aus</strong> wie<strong>der</strong>zuspiegeln.<br />

Nach den Erinnerungen von Makarenkos jüngerem Bru<strong>der</strong> Vitalij 513 war<br />

Makarenko vor Gründung <strong>der</strong> Gorki-Kolonie alles an<strong>der</strong>e als militärbegeistert,<br />

die wenigen Monate in <strong>der</strong> Armee hatten ihn an den Rand des Nervenzusammenbruchs<br />

und des Selbstmordes gebracht. Er war zumindest damals<br />

auch ein radikaler (!) Gegner von Ehe und Familie, vermutlich auch noch<br />

1931, als er 514 argumentierte, daß durch den Fünfjahresplan nun die<br />

schreckliche Erziehungs-Handwerkelei <strong>der</strong> Familien durch Erziehungsfabriken,<br />

d. h. Heimerziehung für alle, ersetzt würde. Demnach scheint Makarenko<br />

zunächst <strong>der</strong> offiziellen ukrainischen Erziehungspolitik in den frühen 20er<br />

Jahren angehangen zu haben. Nachdem Mitte <strong>der</strong> 30er Jahre solche Gedanken<br />

offiziell unakzeptabel wurden, argumentierte er im 1936 begonnenen und<br />

1937 erschienenen Buch für Eltern genau umgekehrt.<br />

Makarenkos Bru<strong>der</strong> Vitalij führte als Turnlehrer an <strong>der</strong> von Makarenko<br />

geleiteten Schule dort 1917 zunächst gegen den Willen Makarenkos, <strong>der</strong> sich<br />

zu gut an seine Leiden beim Militär erinnerte, eine militärische Ordnung ein<br />

und gab den Kin<strong>der</strong>n die von ihnen gewünschte Fahne. 1918 folgte die Gründung<br />

eines Blasorchesters, nach dessen Musik die Schüler marschierten. 1919<br />

gründete Makarenko eine bereits in Abteilungen geglie<strong>der</strong>te landwirtschaftliche<br />

Arbeitsbrigade, die sich auf Pfadfin<strong>der</strong>prinzipien gründete. (vgl. Dunstan<br />

1984: 70 f.)<br />

Daß Makarenko die neue pädagogische Literatur <strong>der</strong> frühen 20er Jahre<br />

aufmerksam verfolgt hatte, ist bezeugt. Er hatte in seiner Kolonie anfangs sogar<br />

ein Kabinett für psychologische Beobachtungen und Experimente eingerichtet<br />

(Anweiler 1963: 275; vgl. Nezinskij 1969: 62), sich also selbst mit<br />

513 In Hillig (Ed. 1983: 157 - 222), hier nach Dunstan (1984: 70 ff.). Ein 1971 entstandener<br />

Dokumentarfilm mit Vitalij S. Makarenko wurde erstmals 1989 gezeigt auf dem internationalen<br />

Makarenko-Symposion bei Marburg (Hillig 1989b: 183).<br />

514 In einer aufgrund von Stilanalysen heute ihm zugeschriebenen Broschüre unter dem Namen<br />

seiner Ehefrau (vgl. Dunstan 1984: 73 f.). Er hatte damals wegen seiner umstrittenen<br />

Ideen bereits Schwierigkeiten, einen ukrainischen Verlag zu finden. In den letzten Lebensjahren<br />

ergab sich die paradoxe Situation, daß er gleichzeitig vor Riesenauditorien<br />

Vorträge hielt und trotzdem kein Verlag seine pädagogischen Arbeiten veröffentlichen<br />

wollte (Dunstan 1984: 74; 76; vgl. Anweiler 1966: 589). Makarenkos Thesen wurden vor<br />

allem in den wissenschaftlichen Instituten nur sehr zurückhaltend aufgenommen, während<br />

in <strong>der</strong> Lehrerschaft die Zustimmung überwog (vgl. Anweiler 1963: 292).<br />

492

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!