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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Handlungs-Motive tauchen Furcht, Gewöhnung, Einsicht in Notwendigkeiten<br />

und kollektives Interesse auf, außerdem Kameradschaft, verinnerlichte Tugenden<br />

und Gewissen. Unbewußte Motive spielen keine Rolle. Es geht Makarenko<br />

vielfach eher um praktische Techniken des Betriebs- und Personalmanagements<br />

als um Psychologie. Er sah Erziehung primär als Machtkampf um<br />

die Durchsetzung <strong>der</strong> Erzieherfor<strong>der</strong>ungen, und dazu passen die betont militärischen<br />

Formen durch<strong>aus</strong>. Makarenko war ein Verfechter klarer und eindeutiger<br />

pädagogisch-technischer Methoden. Unter Berufung auf seine Intuition<br />

und seine Erfahrungen entwarf er ein sehr praktikables Beobachtungsund<br />

Handlungsraster für die Kollektiverziehung, das den Erzieher in die Lage<br />

versetzt, die Perspektiven, die Moralmaßstäbe, die Endzwecke und die Arbeitsaufgaben<br />

erfolgreich zu setzen. Dazu gehören For<strong>der</strong>ung, Gehorsam,<br />

Disziplin, hartes Anfassen, Kontrolle, Sanktion, Strafe, unerbittliche Strenge<br />

und Härte bis zur Brutalität, die auch das Sch<strong>aus</strong>pielern 510 des Erziehers erfor<strong>der</strong>lich<br />

macht.<br />

Makarenko stellt sich <strong>aus</strong>drücklich in scharfen und polemischen Gegensatz<br />

zur damaligen offiziell herrschenden reformpädagogischen Linie. Trotzdem<br />

enthält seine Pädagogik neben den eher autoritären, machtbetonten militärischen<br />

Elementen auch viele an<strong>der</strong>e, reformpädagogische, gefühlvolle Elemente,<br />

die nicht zu den militärischen Elementen passen, aber trotzdem vorhanden<br />

sind.<br />

Da ist sein Gorki'sches Menschenbild, seine auf die Jugendlichen übertragene<br />

Verehrung und Begeisterung für Literatur (Gorki, Korolenko, u. a.) und<br />

Theaterspiel, die ihn schließlich selbst Romane, Erzählungen und Theaterstücke<br />

schreiben ließ. Trotz seiner vielfach beschworenen arithmetischen Exaktheit<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Arbeit handelte er häufig intuitiv unter Berufung<br />

auf seinen pädagogischen Instinkt, las vage in den Augen <strong>der</strong> Ju-<br />

510 Selbst die unwichtigsten Kleinigkeiten <strong>der</strong> Umgebung sollen zum pädagogischen Zweck<br />

durchgestaltet (o<strong>der</strong>: manipuliert) werden:<br />

„Beson<strong>der</strong>e Bedeutung hatte für Makarenko die Stimme des Pädagogen: ‚Ich bin <strong>der</strong><br />

Meinung, daß künftig an den pädagogischen Hochschulen obligatorisch Unterricht im<br />

Gebrauch <strong>der</strong> Stimme, in Haltung, Beherrschung des eigenen Organismus und des Gesichts<strong>aus</strong>drucks<br />

erteilt werden wird. Ohne dies kann ich mir die Arbeit eines Erziehers<br />

gar nicht vorstellen‘ (<strong>Wer</strong>ke 5, 183). ‚Die pädagogische Meisterschaft besteht darin, daß<br />

<strong>der</strong> Erzieher seine Stimme geschult und daß er sein Gesicht in Gewalt hat ... Ein wirklicher<br />

Meister wurde ich erst, als ich gelernt hatte, ‚Komm her‘ in fünfzehn bis zwanzig<br />

Schattierungen zu sprechen, als ich verstand, meinem Gesichts<strong>aus</strong>druck, meiner Haltung<br />

und meiner Stimme zwanzig Nuancen zu geben. Nun hatte ich nicht mehr zu fürchten,<br />

daß einer daraufhin nicht zu mir kommen o<strong>der</strong> daß er nicht empfinden würde, was er<br />

empfinden sollte‘ (<strong>Wer</strong>ke 5, 278).“ (Meier-Ziegler 1989: 109; Auslassung im Original)<br />

„‚Notwendig wäre eine kleine Monographie über ein Thema wie ‚Der Einfluß des Anzugs<br />

des Lehrers auf den Charakter <strong>der</strong> Schüler‘ o<strong>der</strong> ‚<strong>der</strong> Einfluß des Mienenspiels des Lehrers<br />

auf die Charaktererziehung des Schülers‘. Das sind lauter winzige Kleinigkeiten, die<br />

Aufmerksamkeit erfor<strong>der</strong>n‘ (<strong>Wer</strong>ke 5, 311 f.).“ (Meier-Ziegler 1989: 116)<br />

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