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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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nutzt diese künstlerische Freiheit belletristischer <strong>Wer</strong>ke zu weiteren Auslassungen<br />

und Abän<strong>der</strong>ungen.<br />

Zweitens ist - wie seit 1974 zunehmend bekannt wurde - die Makarenko-<br />

Literatur nicht zuverlässig (vgl. Hillig 1980, 1984, 1988, 1989a, b; Dunstan<br />

1984). Nicht übermäßig hilfreich sind auch die veröffentlichten „mehr verhüllende<br />

als erhellende Äußerungen in den zahlreichen Erinnerungen früherer<br />

Mitarbeiter und Zöglinge Makarenkos“ (Anweiler 1963: 270).<br />

Die Schriften-Manipulation beginnt bereits bei Makarenko selbst. So legt er<br />

sich fälschlich eine proletarische Herkunft zu, stellt seine einjährige Lehrer<strong>aus</strong>bildung<br />

als zweijährige dar, verschweigt gezielt die von ihm erworbene<br />

Lehrbefähigung für Kirchengesang, wertet seine Lehrertätigkeit je nach Opportunität<br />

und politischen Verhältnissen mal zum Lehrergehilfen ab o<strong>der</strong> seine<br />

Schulleitertätigkeit durch Verfünffachung <strong>der</strong> Schulgröße auf.<br />

Die Her<strong>aus</strong>geber seiner Schriften, ganz beson<strong>der</strong>s Makarenkos Witwe als<br />

Nachlassverwalterin sowie ihr Privatsekretär V. V. Kumarin, veröffentlichten<br />

nur <strong>aus</strong>gewählte und (ohne Kennzeichnung!) oft ganz erheblich gekürzte und<br />

abgeän<strong>der</strong>te Teile seines <strong>Wer</strong>ks. Die zahlreichen ideologisch bedingten Textän<strong>der</strong>ungen<br />

und Textverfälschungen entsprangen wohl teils politischer Vorsicht,<br />

an<strong>der</strong>nteils för<strong>der</strong>ten sie durch nachträgliche Anpassung an die jeweilige<br />

aktuelle Parteilinie Makarenkos Position als bedeutendster Sowjetpädagoge<br />

und halfen dadurch, die Sowjetpädagogik als wi<strong>der</strong>spruchslos-einheitliches<br />

Ganzes erscheinen zu lassen. So wurde z. B. in Passagen, die Lenin rühmen,<br />

Lenin durch Stalin ersetzt. Äußerungen, in denen politisch in Ungnade gefallene<br />

Un-Personen erwähnt wurden (z. B. Stalin nach <strong>der</strong> Entstalinisierung),<br />

wurden ebenfalls getilgt. Später wurden Makarenkos Anstellungszeiten gezielt<br />

in die Zeiten roter Herrschaft verlegt.<br />

Der bedeutendste Sowjetpädagoge Makarenko war in Wirklichkeit offenbar<br />

keineswegs <strong>der</strong> stramme Bolschewik, zu dem er in <strong>der</strong> Stalinzeit hochstilisiert<br />

wurde. Er scheint <strong>der</strong> Oktoberrevolution und ihren Ergebnissen zunächst<br />

durch<strong>aus</strong> abwartend gegenübergestanden und als Lehrer und Schulleiter in<br />

<strong>der</strong> Bürgerkriegszeit mit den wechselnden Herrschern aller Couleur ziemlich<br />

problemlos zusammengearbeitet zu haben. Seine intensive Beschäftigung mit<br />

und die Annäherung an den Bolschewismus läßt sich erst unter dem Einfluß<br />

seiner späteren Ehefrau (Parteimitglied seit 1918, Bekanntschaft ab 1927) für<br />

die Zeit nach seiner Entlassung 1928 nachweisen, nicht, wie oft behauptet<br />

wird, seit 1920 (vgl. Hillig 1980: 128). Selbst in dem (erst vor wenigen Jahren<br />

veröffentlichten) Gesuch zur Zulassung zum Studium äußerte er nur sehr<br />

zurückhaltend Sympathien für den Sozialismus. Im Gesuch an das Zentralinstitut<br />

für Organisatoren <strong>der</strong> Volksbildung schrieb Makarenko im August<br />

1922:<br />

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