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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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meist Rückfalldiebe. Sie sollte bis 1933 auf 5000 Plätze erweitert werden.<br />

Aufgenommen wurden 17 - 24jährige Jungen (bzw. Männer).<br />

Die Gründung <strong>der</strong> Kommune muß wohl noch <strong>der</strong> frühsowjetischen Phase<br />

radikaler freiheitlicher Reformpädagogik zugerechnet werden. Sie erinnert<br />

durch ihren großen Grad an Freiheit, Freiwilligkeit und Selbstregierung,<br />

durch die Umerziehung mit Hilfe von Geld und individuellem Leistungslohn<br />

in einem eigenen Wirtschaftssystem an das Little Commonwealth in England<br />

einerseits und an die Junior Republics und den damit zusammenarbeitenden<br />

Jugendrichter Ben Lindsey (Anführer <strong>der</strong> amerikanischen und weltweiten Jugendgerichtsbewegung)<br />

an<strong>der</strong>erseits (vgl. Kapitel 10 und 13). Es wäre sehr<br />

interessant, mehr über die Vorbil<strong>der</strong>, die Konzeption und die weitere Geschichte<br />

Bolschewos zu erfahren. Fenichel (1931: 529) betonte nach seinem<br />

Besuch in Bolschewo die Atmosphäre <strong>der</strong> Freiheit und Freiwilligkeit, die Begeisterung<br />

und Hingabe <strong>der</strong> Kommunarden an ihre Kolonie, wie sie selbst in<br />

<strong>der</strong> besten deutschen Fürsorgeerziehungsanstalt nicht zu finden sei.<br />

Gefangene eines Moskauer Gefängnisses waren 1924 zu einem Versuch mit<br />

freier Erziehung eingeladen worden. Mißtrauisch erklärten fünfzehn von ihnen<br />

sich dazu bereit. Sie erhielten Fahr- und Essensgeld und kamen unbeaufsichtigt<br />

zur Kommunegründung nach Bolschewo. Sie organisierten Fabrikarbeit<br />

zu üblichen Arbeitsbedingungen, Schulen, <strong>Wer</strong>kunterricht, Klubs, Kin<strong>der</strong>garten<br />

und Theater auch für die Umgebung <strong>der</strong> Kommune und erhielten<br />

volle Bewegungsfreiheit und vollen Leistungslohn. Davon mußten (ähnlich<br />

wie im Zivilleben) Miete, Verpflegung etc. bestritten werden. Die noch ineffektiv<br />

arbeitenden Neulinge erhielten zunächst Kredit. Die ursprünglichen<br />

fünfzehn Kommunarden warben in den Gefängnissen weitere Mitglie<strong>der</strong> an.<br />

Die Bewohner <strong>der</strong> nahen Dörfer waren anfangs entsetzt, beruhigten sich<br />

aber, als sich her<strong>aus</strong>stellte, daß die Kommunarden keine Verbrechen begingen.<br />

Geschlechtliche Beziehungen wurden von <strong>der</strong> Kommune nicht behin<strong>der</strong>t,<br />

für Empfängnisverhütungsmittel wurde gesorgt. Einzelne Kommunarden heirateten<br />

Dorfmädchen.<br />

Für die Freizeit gab es Musik-, Theater-, Literatur-, Kino-, Radio-, Sportund<br />

Diskussionsgruppen.<br />

Bolschewo war eine selbständige Kommune mit eigenen Fabrikbetrieben<br />

und eigener Gesetzgebung, die ihre Disziplin selbst regelte. Die Jugendlichen<br />

wurden erst nach halbjähriger Probezeit (Kandidaten) als Mitglied aufgenommen,<br />

und nur, wenn sie keine Analphabeten waren (indirekter Zwang<br />

zum Lesen- und Schreibenlernen). Nach dreijähriger Mitgliedschaft galt jede<br />

Strafe als verbüßt. Regelbrüche wurden von Konfliktkommissionen<br />

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