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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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20.3.2. Reformpädagogische Einflüsse <strong>der</strong> frühsowjetischen<br />

Periode<br />

Die frühsowjetische Periode war eine relativ freiheitliche und demokratische<br />

Zeit, auch und gerade auf dem Gebiet <strong>der</strong> Pädagogik. Man orientierte sich<br />

kühn an den jeweils mo<strong>der</strong>nsten reformpädagogischen Modellen Europas und<br />

Amerikas, um sie (als auch pädagogisch fortschrittlichstes Land) sogleich in<br />

großem Maßstab einzuführen und so die kühnsten pädagogischen Träume zu<br />

realisieren.<br />

Diese frühen freiheitlich-sozialistischen sowjetischen Reformpädagogen<br />

(Pädologen) unter politischer Führung von Nadesha Krupskaja (<strong>der</strong> Lebensgefährtin<br />

Lenins) und A. V. Lunatscharskij (Bildungsminister) waren noch<br />

voller humanistischer Zuversicht. Sie suchten die am Individuum orientierten<br />

Ziele <strong>der</strong> Reformpädagogik mit den gesellschaftlichen Zielen <strong>der</strong> Oktoberrevolution<br />

zu verbinden und lehnten dabei Zwang, Drohung und Leistungsanreize<br />

scharf ab. Makarenko bezeichnete ihren Ansatz (ohne die beiden Spitzenpolitiker<br />

<strong>aus</strong>drücklich zu nennen) wohl deshalb später verächtlich als Damenpädagogik.<br />

Jugendliche Rechtsbrecher und Verwahrloste sollten in <strong>der</strong> frühsowjetischen<br />

Ära durch mo<strong>der</strong>nste heilpädagogische Maßnahmen ohne Zwang, Strafe<br />

o<strong>der</strong> verächtliche Behandlung und in freiheitlicher Atmosphäre (um-) erzogen<br />

werden. Dabei spielte die Selbstregierung eine bedeutende Rolle!<br />

Größte Autorität auf dem Gebiet <strong>der</strong> Verwahrlostenpädagogik war in den<br />

20er Jahren A. Zalkind (o<strong>der</strong> Salkind). Er for<strong>der</strong>te eine Umerziehung durch<br />

ruhige erzieherische Einwirkung ohne Zwang, in einer Atmosphäre völligen<br />

Vertrauens zwischen Erziehern und Zöglingen. Es sollte keinerlei Anordnung<br />

o<strong>der</strong> fertige Regel von oben aufgedrängt werden, alles sollte mit <strong>der</strong> Zeit <strong>aus</strong><br />

dem Gemeinschaftsleben <strong>der</strong> Zöglinge selbst entstehen. Das Leben in <strong>der</strong> Arbeitskommune<br />

sollte den Kin<strong>der</strong>n ebenso verlockend erscheinen wie das auf<br />

<strong>der</strong> Straße. Vorstellungen von Abschreckung und Strafe spielten keine Rolle<br />

mehr. Auch nach Krupskaja sollte <strong>der</strong> Erzieher mehr älterer Bru<strong>der</strong> als Vorgesetzter<br />

sein und bei <strong>der</strong> Einrichtung und Arbeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>selbstverwaltung<br />

keinerlei Druck <strong>aus</strong>üben.<br />

Die 1. Parteikonferenz über Volksbildung vom Dezember 1920 bestätigte<br />

die Auffassung <strong>der</strong> maßgeblichen ukrainischen Pädagogen, daß an die Stelle<br />

<strong>der</strong> herkömmlichen Fürsorgeerziehung für Waisen und Verwahrloste eine<br />

proletarische Erziehung im Geiste des Sozialismus treten sollte: Jugendliche<br />

Rechtsbrecher wurden außerhalb <strong>der</strong> normalen Gerichtsbarkeit von beson<strong>der</strong>en<br />

Kommissionen für Min<strong>der</strong>jährige in Arbeitskommunen eingewiesen, die<br />

nicht als Strafanstalten, son<strong>der</strong>n als heilpädagogische Einrichtungen gedacht<br />

waren (vgl. Anweiler 1963: 274 - 280).<br />

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