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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Speisesaalgesetz geschaffen, die Ordner unter Jubel gewählt und das neue Gesetz sofort<br />

beim Nachtmahl durchgeführt.“ (Bernfeld 1974a: 143)<br />

Etwa einen Monat (= 4 - 5 Schulgemeinden) lang versuchte Bernfeld vergeblich,<br />

die Kin<strong>der</strong> stärker an ihrer Selbstregierung zu beteiligen und zum<br />

Sprechen zu bewegen. Doch Diskussionen kamen kaum auf, und Bernfeld<br />

wurde nur sehr selten überstimmt. Schulgemeinde und die Ordner besaßen<br />

lediglich eine von ihm abgeleitete Autorität, und er war <strong>der</strong> Hauptredner<br />

und Initiator, erklärte die parlamentarischen Regeln und Begriffe und schlug<br />

nach Beratung im Ausschuß die Gesetze vor. Die Kin<strong>der</strong> stimmten dann ab.<br />

Die so entstandenen Gesetze empfanden sie offenbar nicht als wirklich<br />

selbstgegeben, denn sämtliche in diesem Monat gegeben Gesetze wurden<br />

später erneut eingebracht.<br />

Die zweite Schulgemeinde (11 Tage nach Ankunft <strong>der</strong> ersten Kin<strong>der</strong>) beschloß<br />

eine große Zahl von Ordnungen und wählte sich Beamte dafür.<br />

Sie beschloß die Schlafsaalordnung, verbot Unterrichtsstörungen, Ballspielen<br />

im Gebäude und unerlaubte Besuche im Krankenzimmer, gebot pünktlichen<br />

Schulbesuch, wofür je Klasse ein Ordner gewählt wurde, wählte Ausgangs-<br />

Ordner und Ausgangs-Ordnerin, Speisesaal-Ordner, Schlafsaal-Ordner, Untersuchungsrichter,<br />

Postmeister, Schriftführer, Türsteher und Läuter. Zerschlagene<br />

Fensterscheiben mußten künftig bezahlt o<strong>der</strong> abgearbeitet werden,<br />

die Schlafsaalordung regelte Wecken, Aufstehen und Bettenmachen. <strong>Wer</strong> zu<br />

spät zum Frühstück kam, fand den Speisesaal verschlossen und erhielt später<br />

zwar Brot, aber keinen Kaffee. (Gesetze abgedruckt bei Bernfeld 1974a: 144<br />

f.)<br />

Nach einer recht sprunghaften Verhaltens-Verän<strong>der</strong>ung war von Mitte<br />

November bis Mitte Januar 486 die Beteiligung an den Verhandlungen sehr<br />

rege. Die Kin<strong>der</strong> machten einige eigene Gesetzesvorschläge, än<strong>der</strong>ten in den<br />

Beratungen fast jeden Vorschlag deutlich ab und hatten nun das Gefühl, selbst<br />

die Gesetze zu geben. Ausschuß und Ordner gewannen an Autorität, die allgemeine<br />

Ordnung nahm normale Ausmaße an (etwa so wie bei traditionellen<br />

Disziplinformen). Das gesamte Leben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> wurde nun von ihnen<br />

selbst in einer beträchtlichen Zahl von Gesetzen geregelt: Müll mußte in den<br />

Mülleimer geworfen werden, die Notdurft durfte nur im Klosett verrichtet<br />

werden, Beschriften <strong>der</strong> Wände und Tische wurde verboten, niemand durfte<br />

auf den Boden spucken, nur <strong>der</strong> gewählte Heizer durfte die Öfen bedienen,<br />

etc., von <strong>der</strong> Zimmerreinigung bis zur Tagesordnung, Ausgangsordnung,<br />

Speisesaal-, Schlafsaal-, Lesezimmer- und Bibliotheks-Ordnungen und den<br />

Rechten und Pflichten <strong>der</strong> jeweiligen Ordner sowie Strafandrohungen.<br />

486 also im zweiten und dritten Monat des Heims.<br />

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