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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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ihm beschweren sollten. <strong>Wer</strong> ohne Strafe unverbesserlich sei, werde entlassen.<br />

Die seitdem täglich stattfindenden Versammlungen, auf denen Bernfeld<br />

über alle Fragen diskutierte, waren sehr geschätzt, und Bernfeld wollte eigentlich<br />

<strong>aus</strong> ihnen die Heimselbstregierung sich entwickeln lassen.<br />

Da er dann <strong>aus</strong> Zeitmangel und Überlastung aber nicht alle Klagen über<br />

t<strong>aus</strong>end Kleinigkeiten einzeln anhören konnte, schlug er ein Vertretungssystem<br />

<strong>aus</strong> Schlafsaal-Zehnerschaften vor. Anfangs wurde dies abgelehnt, doch<br />

nach einigen Tagen von Kin<strong>der</strong>n in verän<strong>der</strong>ter Form selbst vorgeschlagen,<br />

und Bernfeld konnte die Jungen nur mühsam abhalten, ihren 15jährigen Fußball-Anführer<br />

auf <strong>der</strong> Stelle (in <strong>der</strong> von nur wenigen besuchten Versammlung)<br />

zum einzigen Ausschußmitglied zu wählen. Stattdessen wählten die<br />

Jungenschlafsäle (per Zuruf unter Nie<strong>der</strong>schreien <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit) ihren Fußball-Anführer,<br />

die Mädchen in ordentlicher Wahl dessen 16jährige Schwester<br />

und ein weiteres 15jähriges Mädchen.<br />

Dieser Dreier<strong>aus</strong>schuß <strong>aus</strong> prominenten und fähigen Kin<strong>der</strong>n mit starkem<br />

Rechts- und Verantwortungsgefühl besaß we<strong>der</strong> Macht noch Einfluß, beriet<br />

aber täglich manchmal stundenlang mit Bernfeld alle für die Kin<strong>der</strong> wichtigen<br />

Angelegenheiten, brachte so einen losen Kreis von psychisch kaum geschädigten<br />

Kin<strong>der</strong>n zusammen und för<strong>der</strong>te seine Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Während die Lehrer die Kin<strong>der</strong> durch Erzählungen über Selbstverwaltung<br />

und Schulgemeinden in Amerika und Deutschland vorbereiteten, besprach<br />

<strong>der</strong> Ausschuß gründlich die Gründung <strong>der</strong> Schulgemeinde.<br />

Die Schulgemeinde war die durch den Schüler<strong>aus</strong>schuß einberufene und<br />

gemeinsam mit Bernfeld geleitete Vollversammlung aller Kin<strong>der</strong> ab <strong>der</strong><br />

dritten Klasse und aller Erwachsenen. Auf <strong>der</strong> ersten Schulgemeinde<br />

(gegen Ende Oktober 1919) erinnerte Bernfeld die Anwesenden nochmals an<br />

ihr Leiden unter <strong>der</strong> Unordnung, stellte die Nachteile <strong>der</strong> Zwangsdisziplin dar<br />

und schlug vor, das Heim gemeinsam wie ein <strong>aus</strong> Familien bestehendes Dorf<br />

zu verwalten und wöchentliche Schulgemeinden abzuhalten.<br />

„Wenn einer irgend etwas nicht in Ordnung fände, so würde er es in dieser Zusammenkunft<br />

sagen. Wir würden es uns alle zusammen überlegen und uns aufschreiben,<br />

wie es gemacht werden müsse, o<strong>der</strong> was verboten sei. Und das würde Gesetz heißen.<br />

Diese Gesetze werden im Speisesaal angeschlagen. Die Gesetze muß je<strong>der</strong> einhalten.<br />

Damit dies geschieht, werden für jedes Gesetz Ordner gewählt. Folgt einer dem Gesetz<br />

nicht, so wird er beim Ausschuß angezeigt. Der Ausschuß macht ein Gericht, das<br />

bestraft die Gesetzesübertreter. Wenn jemand sich zu beklagen hat, so zeigt er es beim<br />

Gericht an, auch wenn kein Gesetz darüber gemacht wurde. Man beschloß nun sehr<br />

begeistert, mit <strong>der</strong> neuen Ordnung augenblicklich anzufangen; und entsprechend dem<br />

allgemeinen brennenden Interesse <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> 485 wurde zunächst ein<br />

485 Dem stets knappen Essen galt die Hauptsorge <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>.<br />

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