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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Mißt man Summerhill dagegen an Neills Ziel, glückliche freie Menschen<br />

aufwachsen zu lassen, so scheint es sein Ziel im großen und ganzen zu erreichen.<br />

Ehemalige Schüler berichteten häufiger, daß sie sich nach dem Verlassen<br />

von Summerhill unter den normalen Altersgenossen deutlich positiv an<strong>der</strong>s<br />

fühlten: vernünftiger, überlegener, reifer und älter, daß sie viele Probleme ihrer<br />

Altersgenossen einfach deshalb nicht hätten, weil sie sie nicht ständig<br />

selbst produzierten. Der Unterschied sei so unüberbrückbar groß, daß es oft<br />

nutzlos sei zu wi<strong>der</strong>sprechen, weil die an<strong>der</strong>en es nicht begreifen könnten.<br />

Einige erklärten dies damit, daß sie nicht durch konventionelle Betragens-<br />

Vorstellungen fehlgeleitet und von <strong>der</strong> Wirklichkeit abgelenkt worden wären,<br />

son<strong>der</strong>n die Welt offener und direkter sähen: daß sie das kindische Kichern<br />

und beständige Witzeln über das an<strong>der</strong>e Geschlecht einfach nicht nötig hätten,<br />

weil sie sich mit Sex ganz selbstverständlich <strong>aus</strong>kannten und ihn nicht als<br />

etwas Schmutziges behandeln müßten, das einem vor allem im Suff unterläuft.<br />

Das Gefühl des An<strong>der</strong>sseins erklärt wohl auch den relativ starken Zusammenhalt<br />

<strong>der</strong> Ex-Schüler untereinan<strong>der</strong> sowie die Tatsache, daß viele Schüler,<br />

die sich noch nicht stark genug für die Außenwelt fühlten, nach dem Schulabschluß<br />

noch eine Weile blieben, meist als H<strong>aus</strong>mütter.<br />

Der recht häufigen Kritik Außenstehen<strong>der</strong>, daß die Freiheit in Summerhill<br />

die Kin<strong>der</strong> nicht auf das wahre Leben vorbereitet, wird ein an<strong>der</strong>er Begriff<br />

von Wahrheit entgegengehalten (wahrhaftig statt üblich): die große, nirgends<br />

sonst wie<strong>der</strong> angetroffene Wahrheit, Echtheit, Offenheit und Ehrlichkeit in<br />

Summerhill, daß Summerhill die eigentlich wahre Welt sei, und die Außenwelt<br />

eher mit Fassaden, Ersatzbefriedigungen, Lebenslügen und Surrogaten<br />

wie Geld, Macht, Konventionen handle, und das Hin<strong>aus</strong>gehen in die Außenwelt<br />

einem Schlag ins Gesicht gleichkomme.<br />

In Summerhill herrschen grundlegend an<strong>der</strong>e <strong>Wer</strong>te als in <strong>der</strong> Außenwelt,<br />

und viele Schüler hatten anfangs durch<strong>aus</strong> Schwierigkeiten, sich draußen zurecht<br />

zu finden. An<strong>der</strong>erseits hatten sie eine beträchtliche Vorstellungskraft<br />

und innere Sicherheit und Stärke sowie ein Selbstvertrauen entwickelt, die sie<br />

befähigten, anpassungsfähig mit Wandel zurechtzukommen, ohne sich auf<br />

starre Strukturen stützen zu müssen. Sie waren so fähig, sogar mit dem Leben<br />

in dieser fremden Außenwelt zurechtzukommen.<br />

Die Vorstellung, daß frei aufgewachsene Summerhillschüler unfähig sind,<br />

unter auferlegten Regeln und Beschränkungen zu leben, scheint grundfalsch<br />

zu sein. Im Gegenteil: Die Ex-Schüler geben an, in Summerhill gelernt zu haben,<br />

daß Gesetze und Regeln notwendig sind, und - sofern sie nicht gerade<br />

<strong>der</strong>art gegen ihre moralischen Grundsätze verstoßen, daß man sie dringend<br />

än<strong>der</strong>n muß - daß sie bereit sind, sich pragmatisch damit zu arrangie-<br />

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