Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

für die bolschewistischen Republiken Makarenkos. Bei der katholischen Kirche
und der bolschewistischen Partei, die sich beide in ganz ähnlicher Weise
im Besitz der Wahrheit wähnen, in gewissem Sinn für unfehlbar halten, die
heilsnotwendige Rolle der eigenen Organisation betonen und auf Autorität,
Hierarchie und den demokratischen Zentralismus Wert legen, nach dem
Wichtiges oben entschieden und unten gläubig loyal ausgeführt wird, bei solchen
Organisationen also ist eine ausgeprägte (basis-) demokratische Selbstregierung
kaum zu erwarten. Diese pauschale Vermutung wäre natürlich im
Einzelfall empirisch zu prüfen, speziell bei den Kinderrepubliken für Slumkinder
in Südamerika, (siehe Kapitel 22) über die nur oberflächliche Berichte
vorliegen. Umso bemerkenswerter ist die sehr demokratische Republik von
Monsignore Carroll-Abbing in Rom, die aber keine kirchliche Einrichtung ist
(siehe Kapitel 22).
Auch das Selbstregierungskonzept der Landerziehungsheime scheint auf
Moralerziehung und Charakterformung bedacht gewesen zu sein und insofern
eine mehr autoritative Richtung zu vertreten 27 . Der linke Flügel (Paul Geheeb,
Gustav Wyneken) dieser Bewegung ist allerdings interessant, also die
Odenwaldschule und die Freien Schulgemeinden. Dieser Bereich wird hier
- auch wegen der damit zusammenhängenden sehr komplexen Philosophie -
nicht weiter verfolgt.
Erfolgversprechend erscheint auch die nähere Beschäftigung mit Sackij (=
Schazki) und dessen Kinderrepublik im vorsowjetischen Rußland. In der
ziemlich freien frühsowjetischen Periode nach der Oktoberrevolution gab es
in Rußland und vor allem in der Ukraine mehrere Hundert Kinderstädte. Die
meisten dürften äußerst miserabel gewesen sein (siehe Kapitel 20), bei intensiver
Forschung vor Ort ließen sich aber wohl auch einige selbstregierte finden.
Diese wären auch als Hintergrund zur Betrachtung der Arbeit Makarenkos
interessant.
Ebenfalls unbearbeitet blieben die Kinderstädte und Kinderparlamente außerhalb
der Heimerziehung, egal ob sie der kreativen Ferienfreizeit oder der
politischen Bildung und Staatsbürgerkunde dienen, ständige Freizeitprogramme
oder polizeiliche Sozialarbeitsprogramme darstellen. 28 Neuerdings
27 Vgl. zu den Landerziehungsheimen: Andreesen (1926), Dietrich (1967), Harless
(diverse), Lietz 1897, Reisinger (1930), (1931). Die Moral-Orientierung wird anhand der
englischen Parallelbewegung der New Schools gut dargestellt von Skidelsky (1975). Zur
Odenwaldschule siehe Becker (1979), Odenwaldschule (o. J.), Schäfer u. a. (1971).
28 Mini-München (Grüneisl und Zacharias 1989) und Heidel-York (Zimmermann 1989)
sind Beispiele für Ferienprogramme. Dauerhafte Freizeitprogramme sind / waren der Altgeld
Junior State in Altgeld Gardens / Chicago (Stroud 1946), die Junior City of San
Francisco (Koos 1946) und die Hobbytown eines Settlementhauses in Pittsburgh für 500
Kinder und Jugendliche (Hobbytown 1940). Die Boystown in Cleveland mit 3000 Jungen
war ein polizeiliches Sozialarbeitsprogramm (Kelly 1939). Programme zur politischen
Bildung und
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