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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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– Früher waren Strafen in <strong>der</strong> Regel trivial, meist wurde die Mißbilligung<br />

durch eine Warnung o<strong>der</strong> ernste Warnung <strong>aus</strong>gedrückt, daneben gab es Arbeiten<br />

zum Nutzen <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />

„In vielen Fällen wurde individuelles antisoziales Verhalten als unterbewußtes Verlangen<br />

nach Aufmerksamkeit gewertet und nicht verurteilt o<strong>der</strong> bestraft. Stattdessen<br />

wurde ein ‚Tag <strong>der</strong> Aufmerksamkeit‘ <strong>aus</strong>gerufen, an dem die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

ihr Bestes geben sollten, um mit jenen zu spielen und ihnen die verlangte Aufmerksamkeit<br />

zuteil werden zu lassen. Doch seitdem im September 1985 die Direktorin<br />

wechselte, wird diese ‚Amateur-Psychologie‘ (die die Schule bislang prägte) verschmäht,<br />

und die nun von <strong>der</strong> Gemeinschaft verhängten Strafen werden unter diesem<br />

Einfluß immer mehr eine Sache des Geldes. Während die Kin<strong>der</strong> unterschiedlich hohes<br />

Taschengeld von ihren Eltern erhalten (und je<strong>der</strong> Antrag, alles Taschengeld zusammenzulegen,<br />

vom Meeting verworfen wurde 469 ) zeigen die Geldstrafen, wie jetzt<br />

auch in diese Schule eine zunehmend kapitalistische Mentalität Einzug hält.<br />

‚Sozialstrafen‘ (Gemeinschaftsarbeiten), obwohl weit gerechter, stehen nicht mehr<br />

hoch im Kurs: so werden alle häuslichen Arbeiten mittlerweile von externen Beschäftigten<br />

- <strong>aus</strong>schließlich Frauen - erledigt. Den Kin<strong>der</strong>n aber bleibt die Freiheit, alle Gesetze<br />

abzuschaffen, was Ende 1987 geschah, als die Geldstrafen zu repressiv wurden;<br />

inzwischen sind neue und weniger strenge Gesetze erlassen worden. Dieses Wechselspiel<br />

ist typisch für Summerhill: einige Semester lang kann es ganz autoritär zugehen,<br />

bevor die Kin<strong>der</strong> die Gesetze wie<strong>der</strong> ins Gleichgewicht bringen. Der neue Einfluß von<br />

oben zeigt aber, daß eine freiheitliche und verständnisvolle Atmosphäre in den Meetings<br />

erschwert werden kann.“ (Stephens 1988: 36)<br />

Newell (1981: 20) beschreibt 470 die Entwicklung dagegen genau umgekehrt,<br />

verweist auf die in Neills Büchern erwähnten Geldstrafen, die neuerdings<br />

durch soziale Strafen wie Kino-Verbot o<strong>der</strong> Geschirrspülen ersetzt seien,<br />

meist aber werde nur eine strenge Verwarnung <strong>aus</strong>gesprochen. Ena Neill erläutert<br />

die gestiegene Rolle des Geldes:<br />

„‚Keine Schule kann die Angewohnheiten <strong>der</strong> Außenwelt verän<strong>der</strong>n. Das vergessen<br />

die Besucher oft‘, sagt die alte Mrs. Neill. ‚Geld zum Beispiel ist auch für unsere<br />

Schüler <strong>der</strong> größte Anreiz, etwas zu tun. Wieso sollen sie denn an<strong>der</strong>s sein als ihre<br />

Eltern?‘ Auch in diesem Punkt gehen Lehrer und H<strong>aus</strong>eltern auf die Kin<strong>der</strong> ein, anstatt<br />

ihnen moralisch zu kommen: Selbst <strong>der</strong> Frühstücksdienst wird den Kin<strong>der</strong>n bezahlt.“<br />

(Rollin 1992: 54 f.)<br />

Für die Behebung von Problemen mit Hilfe von etwas Amateurpsychologie<br />

wird folgendes Beispiel beschrieben:<br />

469 Dies kann so neu nicht sein. Segefjord (1971: 95 f.) berichtet schon 1966 über die große<br />

wirtschaftliche Ungleichheit wegen des unterschiedlichen Geldes von zu H<strong>aus</strong>e.<br />

470 „In his books, Neill describes the meeting doling out fines for infringements of the rules;<br />

these have been replaced lately by ‚social‘ fines, like missing the cinema, or clearing<br />

away dishes. But it appears that ‚strong warnings‘ are normally enough.“ (Newell 1981:<br />

20)<br />

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