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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Neills Buch war - zusammen mit den <strong>Wer</strong>ken an<strong>der</strong>er radikaler Schulkritiker<br />

- häufig Inspiration o<strong>der</strong> erster Anstoß für viele Personen in <strong>der</strong> Alternativschulbewegung.<br />

Noch bedeuten<strong>der</strong> war die Wirkung außerhalb des Schulbereichs,<br />

in <strong>der</strong> Familien- und Vorschulerziehung.<br />

Es gab viel unkritische Bewun<strong>der</strong>ung Neills und Summerhills, häufig wurden<br />

seine Äußerungen nicht sorgfältig gelesen. Seine Hinweise auf die Grenzen<br />

<strong>der</strong> Freiheit (in <strong>der</strong> Freiheit des An<strong>der</strong>en), sein Betonung, niemand (auch<br />

kein Kind) dürfe sich auf Kosten an<strong>der</strong>er (z. B. seiner Eltern) entfalten, wurden<br />

vielfach übersehen. Neills Name wurde in Öffentlichkeit und <strong>der</strong> Massenpresse<br />

häufig verbunden mit Verwöhnung, Zügellosigkeit (license) und<br />

Permissivität, mit tun wozu man gerade Lust hat (do as they please). Bestürzt<br />

über das Mißverständnis und den Mißbrauch <strong>der</strong> Summerhill-Idee schrieb<br />

Neill rasch ein Ergänzungsbüchlein mit einer Auswahl <strong>aus</strong> typischen Zuschriften<br />

und seinen Antworten darauf zusammen und betitelte die amerikanische<br />

Original<strong>aus</strong>gabe Freiheit, nicht Zügellosigkeit! 452 . Das Büchlein fand<br />

ebenfalls reißenden Absatz.<br />

Die sehr rasch ansteigende Schülerzahl erhöhte den Anteil neuer und junger<br />

Kin<strong>der</strong>. Die Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong> Übersee konnte Neill zuvor nicht sehen, und viele<br />

Eltern verschwiegen die schweren Störungen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Häufig akzeptierte<br />

Neill Anmeldungen auch ohne weitere Auswahl und Nachfragen. So kamen<br />

erneut zu viele Problemkin<strong>der</strong>.<br />

Neill war klar, daß eine Mindestzahl älterer und schon jahrelang in Summerhill<br />

leben<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> für eine funktionierende Selbstregierung unbedingt<br />

wichtig war. Doch z. B. 1967 gab es so viele relativ neue, junge und gestörte<br />

Kin<strong>der</strong>, die alle über die Stränge schlugen, daß es kaum mehr <strong>aus</strong>zuhalten<br />

war, zumal sich her<strong>aus</strong>stellte, daß amerikanischen Kin<strong>der</strong> mit Selbstregierung<br />

schlechter zurecht kamen als englische Kin<strong>der</strong> und die neue Generation härter<br />

und raffinierter erschien 453 .<br />

452 In USA Freedom not License! (1966); in Großbritannien Talking of Summerhill (1967),<br />

deutsch Das Prinzip Summerhill (Neill 1971b).<br />

453 Die Versammlung erklärte den Übeltätern geduldig, daß sie sich so nicht betragen dürften,<br />

doch häufig ignorierten diese die Ermahnungen und Strafen einfach, o<strong>der</strong> sie besuchten<br />

die Versammlungen erst gar nicht. Die Tätigkeit einer kleinen Gruppe von 3 Jungen,<br />

die seit vielen Monaten alle Regeln brachen, unablässig stahlen und zerstörten, führte zu<br />

einem zeitweiligem Umsturz <strong>der</strong> normalen Selbstregierungs-Prozeduren: als sie nach einem<br />

ganzen Jahr schlechten Betragens sogar den Schulschlüssel stahlen, wurde eine Son<strong>der</strong>-Vollversammlung<br />

einberufen (Vorsitz: Joshua Popenoe), auf <strong>der</strong> die ganze Schule<br />

wütende Anklagen vorbrachte. Als die drei die Versammlung einfach zu verlassen suchten<br />

- was üblicherweise je<strong>der</strong>mannns Recht ist - fühlte man sich an die üblichen Regeln<br />

<strong>der</strong> Höflichkeit und Demokratie nicht mehr gebunden gegenüber einer Gruppe, die sich<br />

selbst an keinerlei Regel hielt: Man zwang sie zu bleiben. Erwachsene hielten sie fest,<br />

Kin<strong>der</strong> durchsuchten die Taschen und fanden die Schlüssel. Da begannen sie sich zu<br />

fürchten und gestanden die Vergehen <strong>der</strong> letzten Monate. Neill sah nach einigem Zögern<br />

keine an<strong>der</strong>e Möglichkeit, als den Anführer <strong>der</strong> Gruppe von <strong>der</strong> Schule zu verweisen.<br />

(Croall 1984: 365)<br />

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