Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Autor der Sexuellen Revolution, der Funktion des Orgasmus, der Charakteranalyse
und der Massenpsychologie des Faschismus. Zwar hatte auch Neill
einen Orgon-Akkumulator in Summerhill und versuchte, einige Freunde zu
interessieren, doch diese erklärten Reichs Aussagen alle nach kurzer Beschäftigung
für falsch.
Neill war durchaus klar, daß Reich schwierig und zuletzt auch verrückt 443
war, und Neill lehnte Reichs Vorschlag, in Summerhill zu lehren, rundheraus
ab 444 , ebenso die Übersiedlung zu Reich in die USA, um nicht sein Schüler
zu werden.
Reich war ein sehr schwieriger und humorloser Mann und überzeugt davon,
daß seine Ideen die einzige Hoffnung für die kranke Gesellschaft sind. Er
reagierte auf jegliche Kritik sehr feindlich und oft intolerant, entwickelte eine
Art Festungsmentalität, sah überall Verschwörungen gegen sich und seine
Arbeit am Werk, sah sich belagert von den Feinden der Freiheit. So provozierte
er oft Feindschaft und Feindlichkeit bei anderen, selbst bei Anhängern
(Croall 1984: 313 f., 320; Neill 1982: 174 - 178).
Ob oder ab wann und wie schwer Reich unter Paranoia litt, ist ein ständiger
Streitpunkt zwischen Reich-Anhängern und Gegnern.
Neill mochte (wie viele andere) Reichs tyrannisch unnachgiebige Starrheit
nicht, selbst wenn er sich gelegentlich von Reichs paranoider Belagerungsmentalität
anstecken ließ. Neill war selbst bei seinen entschiedenen Gegnern,
die ihn persönlich kennenlernten, als Person sehr geachtet und geschätzt
(Croall 1984: 320). Neill war pragmatischer und bereit, in unwesentlicheren
Fragen Kompromisse mit der Gesellschaft zu schließen, um seinem Hauptinteresse
- Summerhill - nicht zu schaden. Man könne nicht
443 Während Neills Aufenthalt 1947 riefen Beamte des Food and Drug Ministeriums im Orgonon
an wegen der Verwendung der Orgon-Akkumulatoren (die in zwei feindlichen Artikeln
in Harper's Magazin und New Republic als Allheilmittel und Potenzverstärker dargestellt
worden waren, also als betrügerische Kurpfuscherei). Reich glaubte, in stillschweigender
Übereinstimmung mit dem US-Präsidenten wichtige Geheimarbeit zu tun,
die Atmosphäre beeinflussen zu können, außerirdische UFOs entdeckt zu haben, und daß
die in der Umgebung fliegenden Flugzeuge nur den Regierungs-Auftrag hätten, ihn zu
beschützen, insbesondere vor Stalin und seinen roten Faschisten. Neill sah, daß Reichs
Vorstellungen paranoider Unfug waren, und äußerte dies deutlich gegenüber Reichs Sohn
Peter. Das daraus folgende Zerwürfnis mit Reich konnte er nochmals überwinden.
Die Ministerialbeamten beantragten bei Gericht ein Verbot der Akkumulatoren. Der sich
von der Regierung geschützt wähnende Reich erschien nicht vor Gericht und wurde nach
einigem Aufschaukeln (weiterhin Verkauf und Export der Akkumulatoren, Mißachtung
des Gerichts) zu 2 Jahren Haft und amtlicher Verbrennung seiner Ausstattung, Akkumulatoren
und aller Schriften, in denen auch nur entfernt eine Heilwirkung angedeutet wurde,
verurteilt. Faktisch wurden jedoch restlos alle Schriften mitsamt der Privatbibliothek
gleich mitverbrannt. Neill versuchte erfolglos, ihm von England aus publizistisch zu helfen.
Die Haft begann im März 1957. Am 3. November starb Reich dort an einer Herzattacke
(vgl. Croall 1984: 321 f.).
444 „Reich, I wouldn't have you within yards of my brats. You'd scare them“ (Croall 1984:
315).
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