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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Visum verweigert, offenbar weil er sich vor dem Krieg für den Kommunismus<br />

<strong>aus</strong>gesprochen hatte (und nach dem Krieg gegen jede kommunistische<br />

Diktatur). Neill war wütend, zum Märtyrer einer fremden Sache gemacht zu<br />

werden, nicht wegen <strong>der</strong> sein Leben bestimmenden ureigensten pädagogischen<br />

Überzeugungen, son<strong>der</strong>n wegen <strong>der</strong> ihm viel ferner liegenden und zudem<br />

mißverstandenen politischen Ansichten.<br />

Neill und Reich verband eine sehr starke Gefühls- und Arbeits-Beziehung.<br />

Beide teilten dieselben politischen, psychologischen und pädagogischen Auffassungen<br />

(freiheitlicher Sozialismus, Psychoanalyse, anti-autoritäre Freiheitspädagogik)<br />

und schätzten ihre gegenseitige Arbeit sehr. Beide hatten dieselben<br />

Ansichten über die Krankheit <strong>der</strong> Gesellschaft. Sie teilten dieselben<br />

Vor<strong>aus</strong>setzungen, verstanden sich unmittelbar, brauchten einan<strong>der</strong> ihre Arbeiten<br />

nicht erst umständlich zu erklären o<strong>der</strong> gar zu verteidigen. Dabei blieben<br />

sie aber so unabhängig voneinan<strong>der</strong>, daß keiner zum Schüler des an<strong>der</strong>en<br />

wurde.<br />

Die Freundschaft beruhte wesentlich auf den wenigen persönlichen Begegnungen<br />

/ Besuchen, die später gezwungenermaßen durch häufige Briefe 439<br />

ersetzt werden mußten. Darin t<strong>aus</strong>chten sie auch ihre Erfahrung <strong>aus</strong> über die<br />

Entwicklung ihrer von Geburt an selbstreguliert aufwachsenden etwa gleichalten<br />

440 Kin<strong>der</strong>, wobei sie beide feststellten, daß sie trotz jahrzehntelanger Arbeit<br />

auf dem Gebiet kaum etwas von Kin<strong>der</strong>n wußten 441 . Sie schickten einan<strong>der</strong><br />

auch ihre Bücher und diskutierten sie.<br />

Trotz <strong>der</strong> Freundschaft und gegenseitigen Bewun<strong>der</strong>ung war Neill sich<br />

durch<strong>aus</strong> auch <strong>der</strong> Grenzen bewußt. Neill stimmte den sozialen und politischen<br />

Ansichten Reichs vorbehaltlos zu, ebenso akzeptierte er Reichs Theorien<br />

über die Verbindung von Körper (Soma) und Psyche, vom Sitz <strong>der</strong> Neurosen<br />

in Muskelverspannungen (Charakterpanzer) und ihrer Heilung mit Reichs<br />

Vegetotherapie bereitwillig und vorbehaltlos als große Entdeckung, die auch<br />

ihm sehr geholfen hatte. Neill hatte jedoch Zweifel und Schwierigkeiten mit<br />

den späteren weitergehenden biologischen und physikalischen Ergebnissen<br />

442 Reichs. Neill konnte den obskuren biophysikalischen Orgon-Energie-<br />

Theorien nicht folgen, für ihn blieb Reich stets <strong>der</strong> frühe Reich, <strong>der</strong><br />

439 Der 600seitige Briefwechsel <strong>der</strong> beiden (1936 - 1957) ist auch in deutscher Übersetzung<br />

gedruckt erschienen (Placzek (Ed.): 1989).<br />

440 Peter Reich * April 1944; Zoë Neill * 1.11.1946<br />

441 Gemeint ist hier zweifellos, daß sie bislang lediglich deformierte Kin<strong>der</strong> kennengelernt<br />

hatten, Kin<strong>der</strong>, die von Geburt an durch Zwang deformiert worden waren. Erst jetzt<br />

konnten sie natürliche, freie, selbstreguliert aufgewachsene Kin<strong>der</strong> beobachten und studieren<br />

(so, wie sie eigentlich sind). (Neill berichtete, daß Lane diese Auffassung als erster<br />

vertreten hat (in Croall 1984: 96).<br />

442 Reich versuchte, die Orgon-Energie (dies ist im Prinzip die von Freud nur postulierte<br />

Libido-Energie) physikalisch nachzuweisen und in Orgon-Akkumulatoren (mit diversen<br />

Metall- und an<strong>der</strong>en Schichten überzogene Räume / Kisten) aufzufangen und zu messen.<br />

Er experimentierte ebenfalls mit <strong>der</strong> lokalen Beeinflussung von Atmosphäre und Wetter.<br />

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