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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Die Son<strong>der</strong>- und Zwitterstellung als Neills eigenes Kind, die Zugehörigkeit<br />

zur Familie einerseits und zur Internats-Schule an<strong>der</strong>erseits wurde für Zoë ein<br />

großes Problem: einerseits die Eltern mit vielen Dutzend Geschwistern teilen<br />

zu müssen und doch als her<strong>aus</strong>gehobenes Kind die Eifersüchte aller auf sich<br />

zu ziehen. Sie wohnte und schlief bei ihren Eltern, die sich als Eltern auch<br />

beson<strong>der</strong>s mit ihr beschäftigten, was bei den 50 (teils schwer gestörten) Geschwistern<br />

starke, häufig auch in Handlungen umgesetzte Eifersucht erregte.<br />

Neill und Ena wie<strong>der</strong>um reagierten empfindlicher auf Angriffe auf das eigenes<br />

Kind, was die Eifersucht nur noch verstärkte. Schließlich zogen die Neills<br />

als Familie <strong>aus</strong> ihrer Wohnung im Haupth<strong>aus</strong> um ins Cottage, und als Zoë 5<br />

Jahre alt war, zog sie auf eigenen Wunsch als normales Internatskind in die<br />

Schule. Doch die schwerwiegenden Probleme zwischen Familie und Schule<br />

blieben bestehen.<br />

Im Alter von 10 bis 12 durchlief Zoë, so wie viele Summerhill-Kin<strong>der</strong>, ein<br />

antisoziales Stadium, das Neill üblicherweise als Gangster-Stadium bezeichnete:<br />

gemeinsam mit einer Gruppe ähnlicher Kin<strong>der</strong> schwänzte sie ständig<br />

den Unterricht, rauchte, fluchte, mißachtete die Schlafenszeiten, stahl,<br />

kam nicht zur Vollversammlung. Angeklagt zu werden bedeutete ihr <strong>nichts</strong>,<br />

sie war eine Plage für die ganze Schule.<br />

Ena wollte sie deshalb zur Summerhill sehr ähnlichen Kilquhanity House<br />

School in Schottland schicken, da das Problem zwischen Elternh<strong>aus</strong> und<br />

Schule sonst nicht lösbar wäre. Für Neill dagegen war seine Tochter <strong>der</strong><br />

Hauptgrund, Summerhill weiterhin zu betreiben und sich nicht zur Ruhe zu<br />

setzen, weniger <strong>aus</strong> wirtschaftlichen Gründen, son<strong>der</strong>n weil er in einer selbstreguliert<br />

und in Liebe statt in Hass aufwachsenden (Zoës) Generation die<br />

einzige Hoffnung für die von Hass und <strong>der</strong> Atombombe bedrohte Menschheit<br />

sah. Doch schließlich akzeptierte Neill, wollte sie aber (unerklärlicherweise!)<br />

nicht auf eine britische Schule schicken und wählte - <strong>aus</strong> unbekannten Gründen,<br />

die nicht einmal seine Frau begriff - die von Paul Geheeb 436 gegründete<br />

436 Paulus Geheeb, ein Pazifist und Bewun<strong>der</strong>er Rabindranath Tagores, hatte 1906 gemeinsam<br />

mit Gustav Wyneken die koedukative Internatsschule Freie Schulgemeinde Wikkersdorf<br />

gegründet, die von <strong>der</strong> wöchentlichen gemeinsamen Vollversammlung <strong>der</strong><br />

Schüler und Lehrer geleitet wurde. Nach Streitigkeiten mit Wyneken gründete er 1910<br />

zusammen mit seiner Frau Edith die Odenwaldschule, die auch Verbindung zur Dalcroze-Schule<br />

in Hellerau hatte, als Neill dort arbeitete (vgl. Kapitel 17.1.2.2. - 17.2.3.). Geheeb<br />

floh Mitte <strong>der</strong> 30er <strong>aus</strong> Nazi-Deutschland in die Schweiz, wo er die (noch immer<br />

bestehende) École de l'Humanité gründete. Neill hatte sporadisch mit Geheeb korrespondiert.<br />

Auch Mrs. Lins Enkelin Angela Neustätter ging dort - gemeinsam mit Zoë<br />

Neill - zur Schule.<br />

Die École de l'Humanité unterschied sich wesentlich von Summerhill und hatte viele Züge,<br />

die Neill schon in Hellerau und stets seitdem erbittert bekämpft hatte: Die Schule war<br />

deutlich religiös geprägt, legte sehr großen <strong>Wer</strong>t auf hohe Kultur, bestand auf sehr frühemAuf-<br />

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