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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Obwohl er begeistert von ihr war, war Zoë ihrem alten Vater oft zu lebhaft.<br />

Es war ihm auch gar nicht recht, daß sein freies Kind seine Mutter deutlich<br />

mehr mochte als ihn, und das auch frei und deutlich äußerte (Croall 1984:<br />

304).<br />

Neill achtete äußerst sorgfältig darauf, daß sie keinerlei negative Haltung zu<br />

ihrem Körper und ihrem Geschlecht erwarb, und so berichtete sie völlig unbefangen<br />

im Ort, daß Daddy ihre Mammi befruchtet habe, daß sie <strong>aus</strong> Mammis<br />

Möse (fanny) gekommen sei, und fragte Anwesende <strong>aus</strong>, wer denn sie befruchtet<br />

habe.<br />

Im Alter von 6 bis 8 Jahren hatte sie wenig Interesse an ihren Eltern, speziell<br />

an Neill. Sie ging voll in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>gruppe <strong>der</strong> Schule auf und übernahm<br />

von ihnen manches, was Neill ihr eher hatte ersparen wollen: Vorstellungen<br />

konventioneller Moral, von <strong>der</strong> Unanständigkeit sexueller Begriffe, und ein<br />

dementsprechendes Vergnügen an Obszönität.<br />

Neill geriet in manches Dilemma zwischen seiner Überzeugung von Selbstregulierung<br />

einerseits und seiner in <strong>der</strong> Kindheit erworbenen bitteren Abneigung<br />

gegen organisierte Religion und gegen jegliches Buchlernen an<strong>der</strong>erseits:<br />

Dreijährig verlangte Zoë Lese-Unterricht, achtjährig erklärte sie, daß ihr<br />

Kirchengesang gefalle und sie deshalb zur Kirche gehen wolle.<br />

Neill versuchte nie, Zoë in irgendeine bestimmte Richtung zu beeinflussen,<br />

ihr seine Sichtweise aufzudrängen, seine Vorstellungen zu vermitteln o<strong>der</strong> ihren<br />

Charakter nach seinen Ansichten zu formen. Obwohl er sich<br />

- paradoxerweise - über Zoës geringes schulisches Interesse ärgerte, äußerte<br />

er es nur heimlich seiner Frau und Freunden gegenüber.<br />

Doch daß er sie nicht zu beeinflussen versuchte, lag nicht nur an seinen<br />

Überzeugungen. Zoë gegenüber war er absolut nicht fähig, so zwischen Freiheit<br />

und Zügellosigkeit zu unterscheiden, wie er es Eltern stets empfohlen<br />

hatte. Zwar schrieb er, daß gelegentliche Verbote absolut nötig seien, und sah<br />

dies auch bei Zoë durch<strong>aus</strong> so. Doch er konnte Zoë gegenüber nicht als Autorität<br />

auftreten, konnte ihr <strong>nichts</strong> abschlagen, sie konnte ihn von Geburt an<br />

praktisch um den Finger wickeln. Dies irritierte und amüsierte den Rest <strong>der</strong><br />

Schule, und man empfand es als Triumph, als Neill zu Zoë, die nicht <strong>aus</strong> dem<br />

Meer kommen wollte, sagte: ‚Zoë, du mußt wirklich lernen, das zu tun, was<br />

man Dir sagt‘ und ihr ein an<strong>der</strong>es Mal in <strong>der</strong>selben Situation - zu seinem eigenen<br />

Entsetzen - einen Klaps gab 435 . Die einfach unumgänglichen Einschränkungen<br />

blieben Ena überlassen, es kam vor, daß Neill, ohne daß er<br />

selbst eingriff, Ena kritisierte ‚warum läßt Du sie das tun?‘.<br />

435 „Roger Anscombe recalls one rare moment of intervention by Neill: ‚He once got terribly<br />

upset bec<strong>aus</strong>e he'd taken Zoë down to the sea, and when she wouldn't come out, had<br />

smacked her. ‚Oh my God, what have I done?‘ he said.‘“ (Croall 1984: 306)<br />

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