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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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nerei unterrichtete, was er alles nie studiert hatte. Auch die Lehrmethoden waren<br />

Neill egal, seine eigenen didaktischen Fähigkeiten waren äußerst gering<br />

(Croall 1984: 217 f.).<br />

Ein sehr wichtiges Einstellungskriterium war für Neill, daß <strong>der</strong> Lehrer Kin<strong>der</strong><br />

mochte, mit ihnen zurechtkam, die Gleichheit aller Schulmitglie<strong>der</strong> und<br />

die Selbstregierung <strong>der</strong> Schule durch die Vollversammlung akzeptierte, keinen<br />

beson<strong>der</strong>en Respekt als Erwachsener o<strong>der</strong> als Lehrer for<strong>der</strong>te und bereit<br />

war, für kaum mehr als ein Taschengeld neben Unterkunft und Verpflegung<br />

zu arbeiten (Croall 1984: 202 - 207).<br />

Der Stundenplan wies zwar Fächer <strong>aus</strong>, faktisch aber besuchten Kin<strong>der</strong> den<br />

Lehrer in seiner kombinierten Wohn-, Schlaf- und Klassenzimmer- Behelfshütte<br />

und machten, was sie gerade interessierte: lasen Literatur im Kunstunterricht<br />

o<strong>der</strong> befassten sich mit H<strong>aus</strong>wirtschaft und Pfannkuchenbacken im<br />

Erdkundeunterricht. Einige ehemalige Schüler bemängelten, daß <strong>der</strong> Unterricht<br />

schlecht sei und daß für interessierte Schüler zu wenige Angebote bestehen.<br />

Entgegen Neills Betonung, daß die Persönlichkeit <strong>der</strong> Lehrer und H<strong>aus</strong>mütter<br />

das Wichtigste sei, war die Rekrutierung von Personal recht zufällig und<br />

willkürlich: es kam vor, daß die erste Zuschrift ohne weitere Kenntnis <strong>der</strong><br />

Person akzeptiert wurde, die sich dann in einem Fall zu spät als verrückter<br />

und perverser Schläger her<strong>aus</strong>stellte und rasch entlassen werden mußte, nachdem<br />

er ein Kind mit einem Strick fast erwürgte (Croall 1984: 332 f.). Neu<br />

eingestelltes Personal erhielt keinerlei Hilfen o<strong>der</strong> konkrete Informationen<br />

etwa darüber, wieweit ein Kurs war.<br />

Neill war auch nahezu unfähig, Personal zu entlassen. So kam es vor, daß<br />

er sich entschied, eine H<strong>aus</strong>mutter zu entlassen und einen Ersatz anzustellen,<br />

es aber nicht über sich brachte, dies <strong>der</strong> bisherigen H<strong>aus</strong>mutter mitzuteilen, so<br />

daß er schließlich beide H<strong>aus</strong>mütter beschäftigte. Ein an<strong>der</strong>er Bediensteter<br />

wurde mehrfach gekündigt, ignorierte das aber stets und blieb so weiter beschäftigt.<br />

In <strong>der</strong> physischen Isolierung in Wales im Krieg war Neill häufig depressiv,<br />

glaubte und fürchtete, daß <strong>der</strong> Krieg nie enden werde o<strong>der</strong> aber die faschistischen<br />

Mächte siegen würden. Die Depression för<strong>der</strong>te auch sein altes Nierenleiden<br />

wie<strong>der</strong> zutage. Neill war seine bisherige Lebensweise oft leid, sehnte<br />

sich manchmal nach einem Leben ohne Kin<strong>der</strong>erziehung und Psychologie und<br />

wollte sich lieber kreativ handwerklich und als Stückeschreiber betätigen.<br />

Doch gegen Ende des Krieges gewann er die alte Kreativität zurück. Am<br />

8. Mai 1945 war Deutschland endlich besiegt, und den Umzug Summerhills<br />

zurück nach Leiston 3 Monate später betrachtete Neill als einen <strong>der</strong> glücklichsten<br />

Momente seines Lebens.<br />

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