09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

suchen und bei Nichtteilnahme zumindest Bescheid sagen sollten. Neill hielt<br />

<strong>nichts</strong> von alledem, ließ Lehrer aber in gewissem Umfang gewähren.<br />

Neill zeigte nach außen, in <strong>der</strong> Schule wie in <strong>der</strong> Öffentlichkeit, stets eine<br />

stark anti-intellektuelle Haltung und führte immer wie<strong>der</strong> willkürlich provozierende<br />

Angriffe gegen die traditionelle Kultur allgemein (und beson<strong>der</strong>s<br />

gegen Shakespeare), unter <strong>der</strong> er an <strong>der</strong> Universität gelitten hatte. Er schien<br />

die Mißachtung <strong>der</strong> vorhandenen <strong>Wer</strong>ke von Dickens, Thackeray und Scott<br />

und die Bevorzugung von Abenteuer- und Kriminalgeschichten als direktes<br />

Zeichen <strong>der</strong> Freiheit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> zu werten und hielt Bücher 428 (ganz im Gegensatz<br />

zu <strong>Wer</strong>kzeugen und Theaterutensilien) für die allerunwichtigsten<br />

Dinge in einer Schule.<br />

Das Personal befand sich in einer wi<strong>der</strong>sprüchlichen Situation: Einerseits<br />

wurde in Summerhill die radikale Selbstregierung <strong>der</strong> Schule betont, an<strong>der</strong>erseits<br />

war Neill <strong>der</strong> absolute Chef über das Personal, <strong>der</strong> allein nach eigenem<br />

Gutdünken einstellte und entließ, ohne an<strong>der</strong>e auch nur zu fragen. Vor dem<br />

Krieg hatte es (wohl auch wegen seiner Ehefrau) deshalb kaum Probleme gegeben,<br />

trotz eines erfolglosen Versuches einiger Beschäftigter, die Schule in<br />

eine genossenschaftlich geführte umzuwandeln, was Neill aber - obwohl er<br />

theoretisch durch<strong>aus</strong> übereinstimmte - in <strong>der</strong> Praxis strikt ablehnte. Seit dem<br />

Krieg allerdings wurde Neill stärker als diktatorischer Boss wahrgenommen.<br />

Neills Grundgedanke 429 war, die Schule kindgeeignet zu machen, nicht die<br />

Kin<strong>der</strong> schulgeeignet. Unterricht und Schullernen interessierte ihn schon seit<br />

Hellerau kaum mehr, ebensowenig die Lehr-Qualifikation <strong>der</strong> Lehrer. Die<br />

Auswahl von Bewerbern war häufig eher zufällig, meist wurde <strong>der</strong> erste<br />

halbwegs passable Bewerber akzeptiert, häufig wuchsen Freunde, Besucher,<br />

zahlende Gäste o<strong>der</strong> Ex-Schüler eher in die Lehrertätigkeit hinein, als daß sie<br />

o<strong>der</strong> Neill eine bewußte Entscheidung über ihre Anstellung getroffen hätten.<br />

Als häufig Anwesende erhielten sie irgendwann das Stimmrecht in <strong>der</strong> Vollversammlung<br />

und übernahmen den nächsten freiwerdenden Posten. Eine<br />

spezielle Ausbildung war dabei völlig unwichtig: Frau Neill (ohne Lehrer<strong>aus</strong>bildung)<br />

lehrte Geschichte, weshalb <strong>der</strong> <strong>aus</strong>gebildete Geschichtslehrer<br />

nicht Geschichte, son<strong>der</strong>n Englisch und Latein und Mathematik und Gärt-<br />

428 Das ist insofern seltsam, als er selbst (etwa seit dem 1. Weltkrieg) begeistert große Mengen<br />

Bücher las, sowohl psychologische Fachliteratur als auch politische und biographische<br />

<strong>Wer</strong>ke und viel schöne Literatur. Er liebte auch die Mathematik.<br />

Man darf Neills persönliche Vorliebe für <strong>Wer</strong>kzeug nicht überbewerten: Neill (1969: 35)<br />

betonte, daß er selbst <strong>Wer</strong>kzeug hoch und Bücher gering bewerte, seine Frau (womit<br />

vermutlich Mrs. Lins gemeint ist), die in Summerhill eine ebensogroße Rolle wie Neill<br />

spielte, dagegen Bücher sehr hoch schätzte, und <strong>Wer</strong>kzeug gering.<br />

429 Neill (1969: 22); ganz ähnlich auch schon im Entwurf für die geplante Internationale<br />

Schule (Neill 1922: 33): „Obviously the school must fit the child, not the child the<br />

school“.<br />

415

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!