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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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ne Triebe an, son<strong>der</strong>n als in <strong>der</strong> Erziehung kulturell erworbene Charaktereigenschaften.<br />

Nach Reich (und Lane und Neill) sind Menschen von Natur <strong>aus</strong><br />

friedlich und liebevoll und nicht mit Aggressionstrieb und Todestrieb<br />

die meisten Analytiker lieber Abstand hielten, brachte dem dafür begeisterten Reich völlig<br />

neue Ergebnisse. Er kam zur Überzeugung, daß die psychischen Probleme <strong>der</strong> repressiven<br />

Haltung zur Sexualität zuzuschreiben sind.<br />

Schon seit 1924 beschäftigte Reich sich auch mit den sozialen Ursachen psychischer Erkrankungen<br />

und verband die Psychoanalyse mit sozialen und politischen Bestrebungen.<br />

1927 o<strong>der</strong> 1928 (wi<strong>der</strong>sprüchliche Angaben) trat Reich <strong>der</strong> Kommunistischen Partei bei,<br />

blieb aber auch Mitglied <strong>der</strong> Sozialdemokraten und befasste sich intensiv mit dem Marxismus,<br />

den er im 1929 erschienen Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse mit<br />

<strong>der</strong> Psychoanalyse verbinden wollte. Reichs Gründung eines Komitees revolutionärer<br />

sozialdemokratischer Arbeiter Ende 1929 führte sehr rasch zu seinem Ausschluß <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

KP am 16. 1.1930.<br />

Im Januar 1929 gründete er in Wien mit einigen Kollegen die Sozialistische Gesellschaft<br />

für Sexualberatung und Sexualforschung. Diese gründete eine kostenlosen Sexualberatungsklinik<br />

für Arbeiter und Angestellte in den ärmeren Vierteln Wiens, mit 6 Beratungsstellen,<br />

die täglich 2 Stunden geöffnet hatten und auch jugendliche und ledige Klienten<br />

annahmen, die von den amtlichen Stellen abgewiesen wurden. Themen waren die<br />

Beratung zur (sexualitätsbejahenden) Kin<strong>der</strong>erziehung, Sexualerziehung, Geburtenkontrolle<br />

(Empfängnisverhütung / Abtreibung), Ehe- und Sexualberatung. Die meisten Besucher<br />

waren schwangere Mädchen sowie Jugendliche, die Rat bei <strong>der</strong> Empfängnisverhütung<br />

suchten.<br />

Im September 1930 zog Reich nach Berlin, wo seine Lehren eher anerkannt waren und er<br />

sie besser lehren konnte, doch auch des politischen Klimas wegen. Angesichts <strong>der</strong> faschistischen<br />

Gefahr konzentrierte er sich stark auf politische Arbeit und seine Politische<br />

Psychologie und hielt Vorträge im ganzen Reich.<br />

In Berlin gründete er (Einzelangaben und Daten sind hier wi<strong>der</strong>sprüchlich) SEXPOL<br />

(SEXual POLitik), vermutlich identisch mit dem Deutschen Reichsverband für Proletarische<br />

Sexualpolitik, und zwar als Unterorganisation <strong>der</strong> KPD, sowie den Sexpol-<br />

Verlag. Der erste Kongreß des Verbandes fand im Herbst 1931 in Düsseldorf statt und<br />

for<strong>der</strong>te u. a. Gesetzesän<strong>der</strong>ungen bei Eheschließung, Abtreibung und Homosexualität,<br />

Heimurlaub für Strafgefangene und freie Empfängnisverhütung für Jugendliche. Verband<br />

und Verlag wurden nach einigen Monaten von <strong>der</strong> Parteileitung liquidiert. (Vgl. Gente<br />

1970)<br />

Reich floh Anfang März 1933 nach Wien und lebte ab Mai 1933 sechs Jahre lang in<br />

wechselnden skandinavischen Län<strong>der</strong>n, bevor er Ende August 1939 rechtzeitig vor <strong>der</strong><br />

deutschen Besetzung Norwegens mit einem Professorenvisum in die USA emigrierte.<br />

Dort lehrte er (mit Malinowski) zunächst an <strong>der</strong> New School for Social Research in New<br />

York und zog später nach Maine.<br />

Während des skandinavischen Exils schloß ihn <strong>der</strong> 13. Internationale Kongreß <strong>der</strong> Psychoanalytiker,<br />

an dem er Ende August 1934 in Luzern teilnahm, <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Psychoanalytischen<br />

Vereinigung <strong>aus</strong> (offiziell <strong>aus</strong> formalen Gründen des Exils, faktisch wohl wegen<br />

großer inhaltlicher Differenzen).<br />

Im Exil baute Reich erneut einen Kreis von Patienten und Mitarbeitern auf und entwikkelte<br />

seine theoretischen Ansichten und Techniken weiter. Dabei bewegte er sich zunehmend<br />

weg von <strong>der</strong> eigentlichen Psychologie hin zur Erforschung <strong>der</strong> physischen Grundlagen<br />

<strong>der</strong> psychologischen Phänomene, in die Biologie, Zellforschung, Krebsforschung,<br />

in den Bereich <strong>der</strong> Energie- und Strahlenphysik. Seine dabei erzielten Ergebnisse und<br />

Theorien sind noch weit<strong>aus</strong> umstrittener als die psychologischen.<br />

Literatur zu Person und Arbeit Reichs: Ollendorff-Reich 1975; Laska 1981; Boadella<br />

1983; Neill 1983.<br />

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