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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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durch Schulgesetz verboten und strafbar ist, und daß Neills private Drehbank<br />

wohlverschlossen und für Kin<strong>der</strong> unzugänglich war, gerät völlig <strong>aus</strong> dem<br />

Blick, die spektakulären dramatischen Ausnahmen dagegen sind in aller<br />

Munde, ohne daß ihr Sinn begriffen worden wäre. Die Populärpresse griff das<br />

durch Neills Überspitzungen mitgeprägte so sensationelle schiefe Bild begierig<br />

auf.<br />

Neills Bücher scheinen direkt vom Kopf in die Maschine 393 geschrieben<br />

zu sein, sie sind für je<strong>der</strong>mann leicht und angenehm zu lesen, gerade weil sie<br />

mit grob vereinfachenden, verallgemeinernden Begriffen und Gegensätzen<br />

<strong>aus</strong>kommen und eher frei gehaltenen Reden ähneln.<br />

Neill kümmert sich in seinen Büchern 394 nicht um die Fachwelt und ihre<br />

Forschungsergebnisse, Theorien, Nachweise und Diskussionen. Er führt keine<br />

ernsthaften, sachlichen Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit für und wi<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n hat<br />

von vornherein stets unbezweifelbar recht und bietet eine Mischung <strong>aus</strong> verallgemeinernden<br />

Behauptungen, Bekenntnissen, Beispiel-Erzählungen und<br />

Geschichten, und nimmt ihnen gelegentlich humorvoll die Schärfe. Eine klar<br />

formulierte Theorie sucht man bei ihm vergeblich, seine Texte sind keineswegs<br />

sorgfältig <strong>aus</strong>formuliert, seine Begriffe nicht definiert und durchgearbeitet,<br />

son<strong>der</strong>n er schreibt in <strong>der</strong> Umgangssprache mit all ihrer Vieldeutigkeit<br />

und Kontextabhängigkeit.<br />

Man kann bei Neill mit Leichtigkeit einan<strong>der</strong> direkt entgegengesetzte Äußerungen<br />

finden, sogar zu ganz eindeutigen Fakten 395 . Seine Kritiker können<br />

durch<strong>aus</strong> zu Recht mit Neill-Zitaten argumentieren. Die teilweise sympathisierende<br />

Kritik von Louise Bates Ames (Summerhill pro und contra: 57 - 71)<br />

zeigt z. B. neben etlicher berechtigter Kritik 396 beispielhaft die verbreiteten<br />

Mißverständnisse und Fehlschlüsse 397 , die selbst bei einer so qualifi-<br />

393 Das Unterrichtskapitel in Selbstverwaltung in <strong>der</strong> Schule etwa besteht weitestgehend <strong>aus</strong><br />

Abschweifungen zu an<strong>der</strong>en Themen, was Neill am Kapitelende selbst anmerkte - und<br />

das Kapitel dann unverän<strong>der</strong>t unter <strong>der</strong> völlig unzutreffenden Überschrift in Druck gab.<br />

394 obwohl er durch<strong>aus</strong> belesen war!<br />

395 So schreibt Neill (1982: 246): ... „ich bin nie in einer Partei politisch o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e<br />

Weise aktiv geworden.“ um nur 9 Seiten später (1982: 255) erneut seinen schon zuvor<br />

(1982: 120) beschriebenen Eintritt in die Labour-Party 1913 zu erwähnen.<br />

396 Sie kritisiert u. a. Neills doktrinäre Schwarz-Weiß-Malerei, grobe Vereinfachungen,<br />

Übertreibungen und Kurz-Schlüsse ohne hinreichende Information und seine ungenaue<br />

und uneinheitliche / gegensätzliche Verwendung von Begriffen wie Respekt.<br />

397 Sie kritisiert, daß Neill die Kin<strong>der</strong> völlig gewähren lasse, ihnen keinerlei Verbote entgegenstelle,<br />

sie sogar zu schlechtem Betragen ermuntere, damit sie sich <strong>aus</strong>leben, etwa<br />

beim Fensterscheiben-einwerfen o<strong>der</strong> Unterricht-schwänzen, und Fehlverhalten sogar<br />

belohnt. Obwohl je<strong>der</strong> Einzelheit problemlos durch ungenau-übertreibende Neill-<br />

Äußerungen belegbar ist (!) entsteht hier ein - weitverbreitetes - grundfalsches Bild, das<br />

die Selbstregierung mit ihren umfangreichen Schulgesetzen, Verboten, Strafen und Gerichtssitzungen<br />

völlig ignoriert und Neills Erziehung deshalb mit purer Nachgiebigkeit<br />

identifiziert.<br />

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