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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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18.2.3. Therapie und ‚PL‘<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Problemkin<strong>der</strong> war gegenüber <strong>der</strong> Zeit in Lyme gesunken,<br />

aber es gab noch immer etliche schwer gestörte, gewalttätige, inkontinente,<br />

hysterische, tyrannische und diebische Kin<strong>der</strong>. Neills Hauptarbeit bestand in<br />

den ersten Jahrzehnten Summerhills nicht im Unterrichten, son<strong>der</strong>n darin,<br />

Privatstunden, Privatunterricht (PL = Private Lessons) in Form entspannter<br />

therapeutischer Gespräche zu geben. Neill betonte allerdings zunehmend die<br />

heilende Wirkung <strong>der</strong> freien Atmosphäre gegenüber <strong>der</strong> Wirkung des therapeutischen<br />

Privatunterrichtes.<br />

1934 richtete Neill für kleinere Kin<strong>der</strong> einen Spielanalyse-Raum ein. Er benutzte<br />

auch eine Puppen-Familie: er gab dem Kind eine geeignete Puppe und<br />

wartete ab 384 .<br />

Neill sah in den gestörten Kin<strong>der</strong>n wohl Leidensgenossen, Opfer einer unterdrückenden<br />

Charakterformung, und konnte bei ihnen mit seiner endlosen<br />

Geduld, Intuition und seinem rauhen Humor wahre Wun<strong>der</strong> wirken, während<br />

er normale ungestörte Kin<strong>der</strong> weniger verstand und sie ihn eher langweilten.<br />

Er schien (vor seiner Begegnung mit Reich) manchmal geradezu zu wünschen,<br />

daß Kin<strong>der</strong> über die Stränge schlagen, um dann seine psychologischen<br />

Theorien an ihnen erproben zu können. Manche Kin<strong>der</strong> fühlten sich auch als<br />

Opfer dieser Leidenschaft und berichteten später, ihm das erzählt zu haben,<br />

was er gar zu offensichtlich hören wollte, und einige fühlten sich dabei von<br />

ihm bedrängt und überrannt. Schon kleine Kin<strong>der</strong> diagnostizierten damals in<br />

Summerhill bei ihren Kameraden Vater- und Mutterkomplexe etc. (vgl. Croall<br />

1984: 193 - 194).<br />

Die Begegnung mit Reich in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 30er Jahre verän<strong>der</strong>te<br />

Neills Haltung zur Psychotherapie radikal. Neill lernte, daß es nicht <strong>aus</strong>reicht,<br />

durch Psychotherapie das Unbewußte bewußt zu machen, solange eine unfreie<br />

Gesellschaft durch Unterdrückung ständig neue Störungen bei allen ihren<br />

Mitglie<strong>der</strong>n produzierte. Psychologie mußte Prophylaxe sein, sich mit den<br />

Massen beschäftigen, mit den gesellschaftlichen Umständen, mußte eine gesunde<br />

gesellschaftliche Umgebung, individuelle Freiheit und freie gesellschaftlich<br />

/ politische Verhältnisse for<strong>der</strong>n und schaffen helfen (vgl. Neill<br />

1982: 321 f.).<br />

Neill (1970b: 14; 1982: 268) kritisierte scharf seine frühere Überschätzung<br />

<strong>der</strong> Psychotherapie und verlor weitgehend das Interesse an individueller psychotherapeutischer<br />

Heilung.<br />

384 „In <strong>der</strong> Zeit, als ich noch meine Spieltheorie anwandte, brachte ich unsere Handarbeitslehrerin<br />

dazu, mir Puppen dafür zu basteln: Vater, Mutter, Sohn und Tochter, alle natürlich<br />

mit Geschlechtsorganen. Ich ließ sie auf dem Boden herumliegen, und Kin<strong>der</strong> bis zu<br />

zwölf Jahren spielten mit ihnen.“ (Neill 1982: 190)<br />

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