09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ling 21 und Sklave, nicht aber regieren. Die ältere (auch die deutschsprachige)<br />

Literatur bemerkt recht häufig diesen Zusammenhang von Erziehungsform<br />

und Staatsform. Selbstregierung kann aber auch - wie bei Foerster - innerindividuell<br />

aufgefasst werden als Selbst-Beherrschung <strong>der</strong> eigenen Triebe, als<br />

Selbst-Disziplinierung und Körperbeherrschung.<br />

Der Begriff Mitverwaltung reduziert zumindest sprachlich den Selbständigkeitsanspruch<br />

noch weiter. Das heißt aber keineswegs, daß Autoren, die<br />

wie Papanek (1983: 105 ff.) diesen Begriff bevorzugen, tatsächlich weniger<br />

Selbständigkeit gewähren.<br />

Auch ein bloßes Helfersystem mit von den Erwachsenen ernannten Helfern<br />

könnte als Mitverwaltung bezeichnet werden. Und damit deckt <strong>der</strong> Begriff<br />

Mitverwaltung faktisch alles ab zwischen totaler Selbstregierung bis zu einem<br />

vom Lehrer zum Spitzeldienst gezwungenen Schüler (in frühneuzeitlichen<br />

Internaten, siehe Kapitel 9.1.).<br />

Mitverwaltung wird dann nur noch als Selbsttätigkeit aufgefasst, nicht als<br />

Selbstbestimmung.<br />

Die Begriffe Mitverantwortung und Selbstverantwortung verschieben<br />

die Bedeutung mehr in den Bereich von Moral und Ethik, was aber <strong>nichts</strong> bedeuten<br />

muß.<br />

Der Begriff Selbstregulierung wird in ganz unterschiedlicher Weise verwendet.<br />

Hepp (1911) benutzt ihn für ein Helfersystem in seiner Schulklasse,<br />

während A. S. Neill und W. Reich damit die radikale individuelle Selbstbestimmung<br />

von Geburt an meinen.<br />

Heime und Schulen lassen sich nicht trennen. Viele Heime besitzen eigene<br />

Heimschulen, Internate besitzen Schulheime. Während man solche Einrichtungen<br />

in Deutschland als Heim mit angeschlossener Heimschule sieht, werden<br />

sie im Englischen durchweg als (Son<strong>der</strong>-) Schulen (für unangepasste<br />

Kin<strong>der</strong>) mit angeschlossenem Internatsheim betrachtet. Fürsorgeerziehungsheime<br />

o<strong>der</strong> Besserungsanstalten sind dort approved schools, schools for maladjusted,<br />

reform schools, reformatory schools o<strong>der</strong> schlicht schools for boys<br />

etc. Dementsprechend lässt sich kaum exakt trennen zwischen Heimselbstregierung<br />

und Schülermitverwaltung. Neill und Bernfeld be-<br />

21 Selbst in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern und Ghettos gab es eine Art<br />

Häftlings-Selbstverwaltung. Im NS-Judenghetto Theresienstadt war diese sogar weit <strong>aus</strong>gebaut,<br />

mit eigenen Behörden (Judenrat), eigener uniformierter Ghetto-Polizei, gedruckten<br />

Mitteilungsblättern, eigener Währung mit eigenen Banknoten, einer eigenen Briefmarke,<br />

eigenen Wirtschaftsbetrieben... Daß dies alles mit Selbstbestimmung nicht das<br />

Geringste zu tun hat, ist offensichtlich. Dies zeigt eindringlich, daß von <strong>der</strong> bloßen Existenz<br />

bestimmter Institutionen nicht unmittelbar auf eine darin herrschende Handlungsund<br />

Entscheidungsfreiheit geschlossen werden darf.<br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!