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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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selten 375 vor, eher debattierten die auf alle Seiten verteilten Erwachsenen<br />

hitzig gegeneinan<strong>der</strong> (vgl. Croall 1984: 180).<br />

Es fällt auf, daß die Regeln und Gesetze kaum je genau aufgelistet, son<strong>der</strong>n<br />

meist nur sehr grob umrissen werden 376 . Diese Ungenauigkeit mag<br />

375 Z. B. bei einem Streit über das Schmeißen mit Essen im Speisesaal waren die Erwachsenen<br />

einer Meinung gegen die Kin<strong>der</strong> (vgl. Croall 1984: 180).<br />

376 Bestimmte häufigere Vergehen wurden (schon 1936 beschrieben) mit festen Geldbußen<br />

o<strong>der</strong> Kinoverbot geahndet. Neill (1950: 53) nennt 1936: unerlaubte Benutzung eines<br />

fremden Fahrrades, Fluchen in <strong>der</strong> Stadt, schlechtes Betragen im Kino, aufs Dach klettern,<br />

Essen auf den Fußboden werfen. Außerdem gab es nicht weiter beschriebene Gesetze<br />

gegen Diebstahl und Tyrannisieren. Die Regeln und Strafen gelten ebenso für Lehrer.<br />

Die umfangreichste Auflistung von Gesetzen in Summerhill stammt <strong>aus</strong> dem letzten<br />

Quartal 1966:<br />

„Von den Gesetzen <strong>der</strong> Schule, die wohlgemerkt von den Kin<strong>der</strong>n und Erwachsenen mit<br />

Mehrheit beschlossen werden, notierte ich mir die folgenden, die bezeichnend sind und<br />

<strong>aus</strong> denen hervorgeht, daß Kin<strong>der</strong> gar nicht so unvernünftig und ungeschliffen sind, wie<br />

viele Erwachsene gerne glauben:<br />

1. <strong>Wer</strong> von den Bäumen große Äste absägen will, braucht dazu Neills Erlaubnis.<br />

2. Spielen mit Wasser ist im H<strong>aus</strong> verboten. (Wohlgemerkt: das Verbot gilt nur im H<strong>aus</strong>.<br />

Im Freien darf man spritzen und plantschen, soviel man will. Wasserplantschen gehört zu<br />

den Grundrechten des Kindes.)<br />

3. Es ist verboten, in <strong>der</strong> Bibliothek zu rauchen, zu spielen, zu essen o<strong>der</strong> zu trinken.<br />

4. Niemand unter 16 Jahren darf Zigaretten rauchen. (Über Pfeifenrauchen, Schnupfo<strong>der</strong><br />

Kautabak sagt das Gesetz <strong>nichts</strong>; offensichtlich hält man dies nicht für wahrscheinlich.)<br />

5. Alkoholgenuß ist verboten.<br />

6. <strong>Wer</strong> das Schulgelände für längere Zeit verläßt, soll einem Erwachsenen sagen, wo er<br />

hingeht.<br />

7. Per Anhalter mit Kraftfahrzeugen mitzufahren ist nicht gestattet.<br />

8. Kein Kind darf allein schwimmen. Bei jedem Bad muß ein Rettungsschwimmer dabeisein.<br />

9. Keinerlei Spiel mit Feuer (einschließlich Feuerwerkskörpern) in irgendeinem Gebäude.<br />

10. Niemand unter 12 Jahren darf Streichhölzer o<strong>der</strong> ein Feuerzeug besitzen.<br />

11. Nur wer 14 o<strong>der</strong> älter ist, darf das Feuer im Kamin und / o<strong>der</strong> die Kerzen anzünden.<br />

12. Das <strong>Wer</strong>fen mit Steinen ist verboten.<br />

13. Stöcke mit Nägeln sind verboten.<br />

14. Feststehende Messer müssen einem Erwachsenen vorgelegt werden.<br />

15. Niemand unter 14 Jahren darf ein Messer besitzen. Alle Messer müssen vorgelegt<br />

werden.<br />

Wenn man diese Anordnungen liest, muß man sich schon davon überzeugen, daß die<br />

kindliche Vernunft hinter <strong>der</strong> <strong>der</strong> Erwachsenen nicht zurücksteht. Wohl haben Erwachsene<br />

an <strong>der</strong> Entscheidung mitgewirkt, doch darf man nicht vergessen, daß die Kin<strong>der</strong> die<br />

Mehrheit bilden. Doch könnte man einwenden, daß <strong>der</strong> Erwachsene seine Argumente<br />

besser vertreten kann - o<strong>der</strong> es doch können sollte; und das ist auch völlig richtig. Das<br />

spürte ich schon bei <strong>der</strong> gestrigen Versammlung. Es schadet ja auch <strong>nichts</strong>. Durch die<br />

Argumentation wird die Urteilskraft <strong>der</strong> Schüler geschärft - etwas, was in <strong>der</strong> üblichen<br />

Schule viel zu kurz kommt. Die Argumente <strong>der</strong> großen Schüler waren daher auch sehr<br />

überzeugend, und es ist wohl kaum verwun<strong>der</strong>lich, daß sie stärker an <strong>der</strong> Selbstverwaltung<br />

interessiert sind als die Kleinen. Die Kleinen lernen aber auf diese Weise die Kunst<br />

des Arguments und des Ausdrucks in <strong>der</strong> freien Rede.“ (Segefjord 1971: 27 f.)<br />

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