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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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18.2. Heirat und Umzug nach Leiston 1927<br />

Ada Lilian Lindesay-Neustätter scheint während <strong>der</strong> Zeit in Lyme Regis von<br />

Otto Neustätter geschieden worden zu sein 368 und wurde nun Mrs. Lindesay<br />

o<strong>der</strong> kurz Mrs. Lins genannt. Sie hatte offenbar für und in Summerhill eine<br />

ebensogroße Bedeutung wie Neill selbst, obwohl sie in <strong>der</strong> Literatur kaum<br />

auftaucht 369 . Sie verfügte über die praktischen Fähigkeiten, verwaltete das<br />

Geld, hatte Organisationstalent, organisierte die H<strong>aus</strong>wirtschaft, strahlte<br />

Kultur <strong>aus</strong>, spielte abends Klavier, schaffte eine heimelige häusliche Atmosphäre,<br />

war die Mutter für die Kin<strong>der</strong> wie für das Personal und trug ganz wesentlich<br />

dazu bei, daß die Kin<strong>der</strong> sich hier zu H<strong>aus</strong>e fühlten. Zwischendurch<br />

gab sie (obwohl sie gar keine Lehrerin war) Schulstunden in Geschichte,<br />

Englisch, Deutsch, Schreibmaschine und Kurzschrift. Sie setzte auch die<br />

Reinlichkeits- und Ordnungsmaßstäbe (die Neill eher egal waren) in Summerhill<br />

und handelte rasch und effektiv. Gelegentlich verstieß sie dabei gegen<br />

das allgemein akzeptierte, aber mühsame langsame Selbstregierungs-<br />

Verfahren, und ähnlich wie das Oberh<strong>aus</strong>, das alle an<strong>der</strong>en Instanzen überstimmt,<br />

ordnete sie Ordnungsaktionen gelegentlich einfach an. Die Kin<strong>der</strong><br />

- obwohl sie ihnen <strong>nichts</strong> tun konnte - hatten ein klein wenig Furcht vor ihr,<br />

ein Gefühl, ihr gehorchen zu müssen. Der Schule wegen und um für Mrs. Lins<br />

die britische Staatsbürgerschaft zurückzugewinnen, heirateten sie 1927 und<br />

teilten diese reine Formsache nachträglich und ganz nebenbei <strong>der</strong> Schule mit.<br />

Neill und Mrs. Lins bildeten auch als Eheleute weiterhin ein - offenbar ganz<br />

unerotisches und unsexuelles - hervorragendes Arbeitsgespann 370 .<br />

368 Sie wurde in England bereits von Anfang an Mrs. Lindesay und nicht mehr Frau Doktor<br />

genannt. Obwohl die meisten Summerhill-Bewohner Bescheid wußten, bestand sie darauf,<br />

daß Otto Neustätter vor dem Scheidungsurteil nur unter dem fiktiven Namen Professor<br />

Altdorf zu Besuch kommen durfte.<br />

Die Scheidung muß freundschaftlich erfolgt sein. Nach <strong>der</strong> Heirat mit Neill unternahmen<br />

sie zu viert mit Otto Neustätter und seiner neuen Frau Helen eine verspätete Hochzeitsreise,<br />

und auch später verbrachten sie viele Urlaube zu viert. Auch nach dem Tode von Otto<br />

Neustätter und Mrs. Lins hielt Neill Kontakt zu Helen Neustätter (vgl. Croall 1984: 144 -<br />

146).<br />

369 Neill (1945: 157) begründete das nach ihrem Tod zu Beginn des Nachrufs recht vage mit<br />

ihrer Publicity-Scheu. Diese Scheu mag auch an ihrer ungewöhnlichen Beziehung gelegen<br />

haben: vor <strong>der</strong> Scheidung (trotz Ehe mit Otto Neustätter) das Zusammenleben mit<br />

Neill in einer Arbeitsbeziehung, und nach <strong>der</strong> Scheidung die ungewöhnliche, unerotische<br />

und unsexuelle Ehe mit Neill bei großem Altersunterschied.<br />

370 Neill und Mrs. Lins bewun<strong>der</strong>ten und achteten einan<strong>der</strong> sehr und waren ein ideales Arbeitsteam,<br />

offene Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden waren sehr selten, und<br />

Angriffe gegen seine Frau waren am ehesten geeignet, Neill wütend zu machen (vgl.<br />

Croall 1984: 144 - 147).<br />

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