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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Während <strong>der</strong> militärischen Besetzung des Ruhrgebietes durch französische<br />

und belgische Truppen (Ruhrbesetzung) 1923 wurde das Klima für eine freie<br />

internationale Schule extrem ungünstig. Neill wi<strong>der</strong>setzte sich erfolgreich <strong>der</strong><br />

polizeilichen Deportation seiner drei belgischen Schüler und rief eine Spendenaktion<br />

gemeinsam für notleidende deutsche und belgische Familien ins<br />

Leben (Croall 1984: 125).<br />

Die Schule litt (ebenso wie ihre daran eingegangene Vorgängerin) stark an<br />

Geldmangel 338 , Christine Baer, Prof. Zutt, Frau Neustätter und Neill arbeiteten<br />

ohne Gehalt (Neill 1923a: 254 ). Es hatte (vermutlich um Geld) Rechtsstreitigkeiten<br />

339 zwischen <strong>der</strong> Gebäudebesitzerin Bildungsanstalt GmbH und<br />

<strong>der</strong> Neue Schule AG gegeben.<br />

Die Schule wurde faktisch von Dr. Alois J. Schardt übernommen. Fünf Tage<br />

vor dem Einmarsch <strong>der</strong> Reichswehr wurde im Oktober 1923 die Ablösung<br />

von Harless als Schulleiter durch Schardt erwähnt 340 , doch Neill er-<br />

Hellerau, er wolle versuchen, „die Bildungsanstalt als Kulturstätte zu erhalten“ und dazu<br />

Verhandlungen mit Dohrn, dem Landtag und dem Ministerium führen (ebd. Bl.18).<br />

338 Vgl. die Briefe von Hermann Harless an Paul Geheeb (Archiv <strong>der</strong> École de l'Humanité,<br />

zitiert im unveröffentlichtes Manuskript von <strong>Martin</strong> Näf: Briefe von und an Hermann u.<br />

Elisabeth Harless) sowie Nitzsche (1923: 105).<br />

Die von <strong>der</strong> Neuen Schule Hellerau Aktiengesellschaft verlegte Schulzeitschrift<br />

„Hellerauer Blätter für Rhythmus und Erziehung“ erschien lediglich ein Jahr lang. Die<br />

ersten Hefte erschienen im Juni und August 1922, das Doppelheft 3/4 erschien <strong>aus</strong> Kostengründen<br />

und <strong>der</strong> Ungunst <strong>der</strong> Zeitverhältnisse erst verspätet im März 1923 (ebd.<br />

S.79).<br />

Die Übersiedlung <strong>der</strong> Rhythmikschule nach Wien-Laxenburg im Jahr 1925 scheint ebenfalls<br />

weitgehend finanziell motiviert (vgl. Kapitel 17.3.).<br />

339 Auch Neill erwähnt Rechtsstreitigkeiten:<br />

„Wir hatten das Schulgebäude gepachtet. Nun hielt zu jener Zeit Gurdjieff Ausschau<br />

nach einem H<strong>aus</strong> für seine Schule des philosophischen Denkens. Er verliebte sich in unsere<br />

‚Anstalt‘ und überredete Harald Dohrn, den Eigentümer, sie ihm zu überlassen.<br />

Später hörte ich, Gurdjieff habe prozessiert und Dohrn habe vor Gericht <strong>aus</strong>gesagt,<br />

Gurdjieff hätte ihn hypnotisiert. Gurdjieff verlor den Prozeß und ließ sich später mit<br />

Ouspensky in Fontainbleau nie<strong>der</strong>. Nach diesem Vorfall konnte ich nie wie<strong>der</strong> irgend etwas<br />

von Gurdjieff lesen. Ich bin über seinen Ausspruch: ‚Die zählen doch nicht - meine<br />

Arbeit ist von unendlich viel größerer Bedeutung‘ nicht hinweggekommen.<br />

Er und alle, mit denen ich in Hellerau zusammenarbeitete, sind schon lange tot. Christine<br />

Baer starb an Krebs, Karl Baer wurde in Wien von den Russen erschossen, als er versuchte,<br />

seine H<strong>aus</strong>hälterin vor Vergewaltigung zu beschützen. Harold Dohrn, <strong>der</strong> selbst Russe<br />

war, wurde ebenfalls von den Russen erschossen. Ich sollte hier anmerken, daß ich in<br />

diesem Buch nur selten noch lebende Personen erwähne.“ (Neill 1982: 149 f.)<br />

Neills Angaben sind häufig unzuverlässig. Zumindest die Angaben über „Harold“<br />

(richtig: Harald) Dohrn sind falsch. Er war <strong>der</strong> Sohn einer polnisch-russischen Mutter<br />

und eines in Italien lebenden deutschen Vaters, und er wurde in den letzten Kriegstagen<br />

von einem Nazi-Kommando erschossen, weil er Freude über das Kriegsende geäußert<br />

hatte (vgl. Dohrn 1983; Sarfert 1989).<br />

340 Harless wurde 1922 Schulleiter: „Im Jahr darauf ging auch Harleß weg und gründete seine<br />

eigene Schule in Schloß Marquartstein. Ein dritter Leiter erschien, ein gänzlich ungeeigneter<br />

Mann, Dr. Alois Schardt, Kunsthistoriker und Museumsdirektor. Er war mit <strong>der</strong><br />

Sch<strong>aus</strong>pie-<br />

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