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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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gierung überlassenen, aber für das Wohlfahrtswerk zu großen Wohnheims auf<br />

dem Gipfel des Sonntagberges anbot. Das Wohnheim enthielt 200 Betten in<br />

kargen Räumen ohne Bä<strong>der</strong>, Neill erhielt 2 Stockwerke des früher als Kloster<br />

genutzten Flügels.<br />

Dies ist zumindest Neills Beschreibung <strong>der</strong> Vorgänge, die dann von seinen<br />

Biographen und <strong>der</strong> Sekundärliteratur übernommen wurde. Neills Darstellung<br />

<strong>der</strong> Flucht und <strong>der</strong> Zeit in Österreich ist bemerkenswert kurz, ungenau<br />

und von so groben Fehlern durchsetzt, daß zu vermuten ist, daß Neill hier<br />

wesentliche Tatsachen verschweigt und zu verbergen sucht: die dramatische<br />

Machtverschiebung und schließlich die Übernahme <strong>der</strong> Schule in Hellerau<br />

durch Alois Schardt. Ihre grobe Rekonstruktion soll hier versucht werden. 336<br />

Die Schießereien allein sind keine hinreichende Erklärung für Neills Übersiedlung,<br />

denn <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> Neuen Schule, Rhythmikabteilung und Lan<strong>der</strong>ziehungsheim,<br />

blieben in Hellerau.<br />

Die Rhythmik-Abteilung blieb in Hellerau und übersiedelte (nach erfolgreichen<br />

Gastspielen in Wien) erst knapp 2 Jahre Jahr später, am 1.7.1925, wegen<br />

<strong>der</strong> besseren finanziellen För<strong>der</strong>ung ins ehemalige Kaiserschloß Laxenburg<br />

(mit Park und Schloßtheater) bei Wien. Ein wesentlicher Grund waren die<br />

(wohl finanziellen) Probleme mit <strong>der</strong> Eigentümerin des Festspielh<strong>aus</strong>es, <strong>der</strong><br />

Bildungsanstalt Hellerau GmbH 337 .<br />

336 In Neills Autobiographie werden die Flucht und die Zeit in Österreich auf nur 1 1/4 Seiten<br />

abgehandelt: „1923 brach in Sachsen die Revolution <strong>aus</strong>. In den Straßen von Dresden<br />

wurde geschossen. Unsere Schule wurde immer leerer. Die Eurhythmieabteilung siedelte<br />

nach Schloß Laxenberg in <strong>der</strong> Nähe von Wien über, und ich nahm meine Abteilung auf<br />

einen Berggipfel am Rande Tirols mit, vier Bahnstunden von Wien entfernt.“ (Neill<br />

1982: 150)<br />

Hier sind nahezu alle Angaben Neills (und nachfolgend aller an<strong>der</strong>en Autoren) korrekturbedürftig:<br />

Der Ausbruch <strong>der</strong> Revolution ist höchst zweifelhaft (siehe oben). Die Eurhythmieabteilung<br />

übersiedelte nicht 1923, son<strong>der</strong>n erst zum 1.7.1925 nach Laxenburg<br />

(nicht: Laxenberg) (vgl. die nachfolgende Fußnote). Der Sonntagberg, auf den Neill zog,<br />

liegt nicht am Rande Tirols, son<strong>der</strong>n weit von Tirol entfernt bei Waidhofen an <strong>der</strong> Ybbs<br />

in Nie<strong>der</strong>österreich, nahe <strong>der</strong> Grenze zu Oberösterreich, und durch die gesamte Steiermark<br />

von Tirol getrennt. Außerdem (freundlicher Hinweis von Axel Kühn) schreibt Neill<br />

meist fälschlich (und seine Biographen folgen dem oft), die Schule sei auf den Sonntagsberg<br />

(mit s) gezogen, selbst auf dem Briefpapier <strong>der</strong> Sonntagsberg International School<br />

steht es so gedruckt.<br />

Bezeichnen<strong>der</strong>weise steht unmittelbar vor dem obigen Zitat ein Hinweis Neills, daß er<br />

nicht die volle Wahrheit schreibt: „Ich sollte hier anmerken, daß ich in diesem Buch nur<br />

selten noch lebende Personen erwähne. Angenommen, einer meiner Brü<strong>der</strong> hätte im Gefängnis<br />

gesessen o<strong>der</strong> eine meiner Schwestern wäre eine Prostituierte, dann dürfte ich ihrer<br />

Kin<strong>der</strong> wegen, die wahrscheinlich noch am Leben wären, in einem Buch <strong>nichts</strong> darüber<br />

berichten.<br />

1923 brach in Sachsen die Revolution <strong>aus</strong>.“ (Neill 1982: 150)<br />

337 So zu finden im Stadtarchiv Dresden, Bestand Rähnitz-Hellerau, Abt. 9 Nr. 74: Neue<br />

Schule und Privatschule, insbeson<strong>der</strong>e Bl.19: Presseerklärung <strong>der</strong> Gemeinde Hellerau<br />

vom 2.5.1925 und darauffolgende Zeitungsartikel. Der Weggang wurde in Hellerau mehr<br />

als bedauert. Gut eine Woche vorher, am 23.4.1925, erklärte <strong>der</strong> Finanz<strong>aus</strong>schuß <strong>der</strong><br />

Gemeinde<br />

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