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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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17.3. Flucht <strong>aus</strong> Hellerau<br />

Am 21. Oktober 1923 wurden Sachsen und Thüringen durch die Reichswehr<br />

militärisch besetzt, ein Bürgerkrieg in Deutschland war zu befürchten 334 . Die<br />

deutschen Eltern hatten wegen drohen<strong>der</strong> Unruhen bereits ihre Kin<strong>der</strong> abgeholt,<br />

so daß <strong>der</strong> deutsche Teil bereits geschlossen worden war (Hemmings<br />

1972: 57). Als bei den Straßenkämpfen in Dresden geschossen wurde, brachte<br />

sich auch <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> Schule (ziemlich spät) in Sicherheit (vgl. Neill 1982:<br />

150): Die Rhythmik-Abteilung siedelte nach Schloß Laxenburg nahe Wien<br />

um und blieb dort auf Dauer.<br />

Die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Internationalen Abteilung kehrten vorerst zurück zu ihren<br />

Eltern. Neill fuhr nach Wien und suchte einige Wochen nach einer Bleibe für<br />

seine Abteilung, bis ihm Oscar Bock, <strong>der</strong> Sekretär 335 des jugendbewegten<br />

Akademischen Wohlfahrtswerks, die Mit-Nutzung des ihm von <strong>der</strong> Re-<br />

334 Über die Umstände dieses Bürgerkrieges/Aufstandes/Putsches o. ä. werden viele verschiedene<br />

Versionen berichtet: „1923 brach in Sachsen die Revolution <strong>aus</strong>“ (Neill 1972:<br />

150). Entwe<strong>der</strong> brach ein kommunistischer Aufstand o<strong>der</strong> Putsch tatsächlich los (Croall<br />

1984: 126; nach W. Muir 1968: 97) o<strong>der</strong> wurde nur befürchtet (Hemmings 1972: 57),<br />

o<strong>der</strong> aber die Reichsregierung ging nach einem kommunistischen Landtagswahlsieg gewaltsam<br />

gegen eine kommunistische Regierungsbeteiligung vor (E. Muir 1968: 205). Auf<br />

jeden Fall scheint es Kämpfe gegeben zu haben.<br />

Der dtv-Atlas zur Weltgeschichte (1990(24) Bd.2: 149) erwähnt „1923 Komm. Unruhen<br />

in Hamburg (Okt.); Beseitigung <strong>der</strong> Koalitionsreg. <strong>aus</strong> KPD und SPD in Sachsen und<br />

Thüringen durch ‚Reichsexekution‘. Liquidierung des Hitler-Putsches“.<br />

„Zur Abwehr <strong>der</strong> rechtsradikalen Angriffe auf die Republik - in Bayern sprach man vom<br />

‚Marsch auf Berlin‘-, vielleicht auch als ersten Schritt zur kommunistischen Machtübernahme<br />

in ganz Deutschland, traten Mitte Oktober Kommunisten in die Landesregierungen<br />

von Sachsen und Thüringen ein und bildeten Koalitionen mit <strong>der</strong> SPD. Beide Regierungen<br />

begannen, Arbeiter in ‚proletarischen Hun<strong>der</strong>tschaften‘ zu bewaffnen, was den<br />

heftigen Wi<strong>der</strong>spruch <strong>der</strong> Reichswehr hervorrief. Als dann noch <strong>der</strong> sächsische Ministerpräsident<br />

Angaben über die Schwarze Reichswehr an die Öffentlichkeit brachte, schlug<br />

Seeckt dem Reichspräsidenten ein bewaffnetes Einschreiten vor, unter an<strong>der</strong>em mit <strong>der</strong><br />

Begründung, daß vor einem Einmarsch in Bayern erst die proletarischen Hun<strong>der</strong>tschaften<br />

im Rücken <strong>der</strong> Truppe beseitigt werden müßten. Ende Oktober besetzte die Reichswehr<br />

Sachsen und Thüringen und setzte die sächsische Regierung ab. In Thüringen schieden<br />

die kommunistischen Minister <strong>aus</strong>. Gegen Bayern erfolgte <strong>nichts</strong>.<br />

Gleichzeitig brach <strong>der</strong> kommunistische Aufstand, <strong>der</strong> kurzfristig abgesagt worden war,<br />

infolge eines Mißverständnisses nur in Hamburg <strong>aus</strong> und wurde von <strong>der</strong> Polizei blutig<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />

Die unterschiedliche Behandlung von wi<strong>der</strong>spenstigen Län<strong>der</strong>regierungen in Sachsen<br />

und Thüringen, wo Linksregierungen gewaltsam beseitigt wurden, und in Bayern, wo gegen<br />

eine Rechtsregierung <strong>nichts</strong> unternommen wurde, veranlaßte die sozialdemokratischen<br />

Reichsminister am 2. November, <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Regierung <strong>aus</strong>zuscheiden. Die große<br />

Koalition war zerbrochen.“ (Tormin (Hg. 1973): 129)<br />

335 Zu O. Bock unterhielt Neill offenbar gute Beziehungen: Neill und seine Schüler wohnten,<br />

wenn sie in Wien waren, selbstverständlich in seinem Studentenheim in <strong>der</strong> Strotzegasse.<br />

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