Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Eine weitere, in der Neill-Literatur bislang nirgends erwähnte Beschreibung
der Ausländerabteilung Neills und ihrer Pädagogik fand ich in der Schul-
Zeitschrift 327 der Neuen Schule vom März 1923:
17.2.3.1. A. S. Neill: Eine Geh-hin-wenn-du-willst Schule
„Meine Abteilung der Neuen Schule ist ein Versuch mit beinahe absoluter Freiheit.
Es gibt keine Pflicht zum Unterrichtsbesuch, einem Kind steht es frei, monatelang
wegzubleiben, wenn es das will. Es gibt keinen Stundenplan, es gibt keine Bankreihen
und keinen Unterricht in Schulklassen, denn es gibt keine Klassen. Die Lehrer geben
niemals Anweisungen, sie sagen niemals zu einen Kind: ‚Ich meine, Du solltest Mathematik
lernen‘. Als ich die Schule im letzten Sommer begann, veranlaßte mich meine
Ausbildung als Lehrer dazu, eine Anzahl von Apparaten anzufertigen, um das
Mathematiklehren zu vereinfachen. Die einzige Verwendung, die die Kinder dafür
hatten, war, damit Fußball zu spielen. Ich habe daraus gelernt, daß absolut freie Kinder
keine Apparate benötigen.
Als wir im letzten Sommer in unsere Schule einzogen, fanden wir einen Dachboden
328 , mehr eine Scheune als ein Schulzimmer. Jeder begann, die Wände und Fenster
und Türen anzustreichen. Jedes Kind wählte einen Tisch und eine Ecke des Raumes,
und für drei Monate war die Schule eine Ansammlung von Egoisten. Jeder
Theory said to me: ‚This school is going to be a picnic. The children will spend the whole
day at handwork.‘
Practice showed me how futile a theory can be. These children had a thirst for information.
They wanted to ask questions from 9 a.m. till lunch-time. Luckily I roped in every
possible supplier of information“ ... (Neill 1924: 9-10)
327 Hellerauer Blätter für Rhythmus und Erziehung, herausgegeben von Lehrern und Schülern
der Schule Hellerau. Schriftleitung: E. Ferand-Freund in Hellerau-Dresden, Verlag:
Neue Schule Hellerau AG in der Gartenstadt Hellerau bei Dresden. Druck: Jakob Hegner
in Hellerau. Das Exemplar der Sächsischen Landesbibliothek Dresden verbrannte im
Krieg, die Deutsche Bücherei Leipzig besitzt ein beschädigtes Exemplar. Es erschien lediglich
ein Jahrgang 1922/23 (außerhalb des Buchhandels) mit 3 Heften mit insgesamt
80 Seiten (bis zur Flucht und Auflösung der Schule): Heft 1 (Juni 1922, S. 1-24), Heft 2
(August 1922, S. 25-56), Heft 3/4 (März 1923, S. 57-80). Diese verspätete Doppelnummer
wird mit der Ungunst der Zeitverhältnisse und den hohen Kosten erklärt (S.79).
Die Artikel handeln weit überwiegend vom Bereich der Rhythmischen Gymnastik und
ihren Nebengebieten: Musik, Tanz, Gesang, Körperbildung. Außerdem wird den Festen
und Aufführungen der Dalcroze-Schule viel Raum gewidmet. Etwa 15 Seiten sind der
Deutschen Schule und der Ausländerschule zuzurechnen: zwei Artikel von Harless (1923
a,b) mit zusammen 7 Seiten, je einer von Schürer über (hohe) Kunst (gut 3 Seiten), von
Neill (knapp 3 Seiten) und von Zutt (knapp 2 Seiten).
Von Internationaler Schule ist nirgends die Rede. Allerdings wird mehrfach die Dalcroze-Schule
und die Neue Schule erwähnt, einmal in einer Aufzählung (S. 27) auch die
Ausländerschule.
328 Ein nebenstehendes Foto zeigt diesen Dachboden-Raum - offenbar mit Oberlicht- mit
den dekorierten Möbeln, den Kindern und dem pfeiferauchenden Neill. Beschriftung:
„Ein Arbeitsraum der Internationalen Abteilung“.
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