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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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mit neuem Personal und (etwa Ende Juni 1922) dem neuen deutschen Direktor,<br />

Hermann Harless 317 (auch: Harleß) von <strong>der</strong> Odenwaldschule, einem <strong>der</strong><br />

wirklich mo<strong>der</strong>nen (d. h. reformpädagogischen) Lehrer in Deutschland.<br />

... „was the Swiss artist-craftsman, Professor Zutt. His aim in teaching handwork was to<br />

help children experience the joy of creation, of which all were capable, he thought, given<br />

the freedom to make what they wanted, learning techniques as they created, unrestrained<br />

by practice exercises. ‚What Zutt calls Freude (joy) I call interest‘, Neill wrote, ‚and although<br />

our terms are different we are completely at one in our attitude to education‘“<br />

(Hemmings 1972: 46, Neill 1923a: 159 zitierend)<br />

317 Aus dem Briefwechsel zwischen Geheeb und Harless (im Archiv <strong>der</strong> École de l'Humanité,<br />

hier nach dem Manuskript von <strong>Martin</strong> Näf) ist zu schließen, daß Harless erst Ende<br />

Juni 1922 erstmals nach Hellerau kam. Er erwähnt die problematische Wirtschaftslage<br />

<strong>der</strong> Schule und einen törichten Freiheitsbegriff: Mit <strong>der</strong> Erziehungsauffassung <strong>der</strong> Leitung<br />

einer englische Gruppe im Schulheim (er schreibt keineswegs: Internationale<br />

Schule!) stimme er nicht überein, das Zusammenleben sei schwierig. 3/4 <strong>der</strong> Räume des<br />

Schulheims stünden ihm zu, 1/4 etwa <strong>der</strong> englischen Gruppe. Durch die Krisenzeit habe<br />

die Zahl seiner Heimkin<strong>der</strong> abgenommen. Damit das Heim nicht weiter in englische und<br />

amerikanische Hände komme (also: Neill, Frau Neustätter, Frau Baer-Frissell), benötige<br />

er dringend mehr Kin<strong>der</strong> und bitte Geheeb, sein Heim weiterzuempfehlen (4.9.1922).<br />

Zu Biographie und Pädagogik von Hermann Harless siehe auch seine Schriften<br />

(Harless 1922, 1923, 1924, [1926], 1930, [1931] und seine Lebensrückblicke von 1937<br />

und 1950.<br />

Hermann Harless (geb. 30.4.1887; auch: Harleß) hatte zunächst evangelische Theologie<br />

studiert, dann zur Altphilologie gewechselt und war Lehrer geworden. Im Referendarjahr<br />

entschied er sich, nicht im staatlichen Erziehungswesen zu bleiben, und wandte sich an<br />

Hermann Lietz. „Eine gelungene erste Begegnung in Haubinda, ein paar Probestunden<br />

<strong>aus</strong> dem Ärmel - und ich war zum Oktober 1912 Lehrer am Lan<strong>der</strong>ziehungsheim Ilsenburg<br />

- es ging oft schnell bei Lietz.“ (Harless 1950, unpaginiert) gemeinsam mit ihm kam<br />

Elisabeth Rahm, seine (neue) Ehefrau. Während des Ersten Weltkriegs wechselte er zu<br />

Geheeb an die Odenwaldschule (im Krieg war er zeitweise Krankenpfleger und Soldat),<br />

wäre gegen Kriegsende fast an Grippe gestorben und geriet in eine Lebenskrise. „Ich löste<br />

mich - schwer genug - 1920 von <strong>der</strong> Odenwaldschule, um mit einer Siedlungsgenossenschaft<br />

von Grund auf neu aufzubauen und <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gemeinsamkeit vielfältiger Arbeit in<br />

Landwirtschaft, Gartenbau, Imkerei, Kunst, Kunstgewerbe und organisch gewachsener<br />

Kleinindustrie eine neue Form <strong>der</strong> Schule zu bauen: die Genossenschafter sollten und<br />

wollten zu den eigenen Kin<strong>der</strong>n fremde hinzunehmen, um sie an und in <strong>der</strong> lebensnotwendigen<br />

Arbeit lernen und sich entwickeln zu lassen“ (Harless 1950 unpaginiert).<br />

Der erste Siedlungsversuch in Bayern scheiterte an Meinungsverschiedenheiten. Im März<br />

1921 wurde sein drittes Kind geboren, im Sommer beteiligte er sich an einem zweiten<br />

Schulsiedlungsversuch in <strong>der</strong> Nähe des Bodensees. Als im Januar 1922 <strong>der</strong> Hof durch<br />

Brandstiftung abbrannte, überlebte Harless schwerverletzt. Nach einer kurzen Zeit in <strong>der</strong><br />

Odenwaldschule wurde er nach Hellerau gerufen:<br />

„Nach dem Krieg war dort neben <strong>der</strong> Gymnastikschule eine höhere Schule entstanden,<br />

dazu ein Schulheim lan<strong>der</strong>ziehungsheimähnlicher Art. In Schule und Heim sollte ich die<br />

Leitung übernehmen. Die Verhältnisse waren schwierig: um das Benutzungsrecht wie um<br />

die ideelle Maßgabe kämpften verschiedene Interessengruppen. Zwischen beiden stehend<br />

mußte ich die für Lehre und Erziehung unerläßliche Sicherheit und Ruhe schaffen und<br />

schützen. Es gelang dies auch weitgehend, obwohl <strong>aus</strong> allen möglichen persönlichen,<br />

politischen, egoistischen und ideologischen Hintergründen das Störfeuer nicht <strong>aus</strong>setzte.<br />

Die Inflation hob und senkte den Wirtschaftsboden erdbebenartig, bis eine wohlmeinende,<br />

aber ahnungslose Restauration von außen her alles rettungslos durcheinan<strong>der</strong> warf.<br />

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