Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Schweizer) kurz nach Beginn des ersten Weltkrieges wegen seiner (sehr gemäßigten!)
Kritik an Maßnahmen der deutschen Armee extrem geschmäht
und aus nationalistischen Gründen 287 von seinen Anhängern vertrieben wurde,
woraufhin die Schule schloß 288 .
Um den Unterricht von den Finanzierungsproblemen des teuren Gebäudes
freizuhalten, gründete sich die neue Schule (mit Hilfe der Gebäudebesitzer)
als separate Gesellschaft: Am 1.Okt 1916 entstand die Neue Schule für Angewandten
Rhythmus Hellerau als pädagogischer Erbe der alten Bildungsanstalt.
Die Leitung lag nicht mehr bei einer Person (Dalcroze), sondern
fast alle europäischen Sprachen gesprochen. Unter den für das Schuljahr 1911/12 Angemeldeten
befinden sich aus Amerika 2, Deutschland 60, Dänemark 1, England 3, Holland
6, Österreich 2, Russisch-Polen 3, Finnland 1, Schweden 3, Schweiz 14, Spanien 2.“ (Der
Rhythmus, 1.1911, :93)
287 Der von Dalcroze mitunterzeichnete „Genfer Protest“ kritisierte gezielte deutsche Angriffe
auf bedeutende ausländische (zivile) Kulturgüter: die Beschießung der Kathedrale von
Reims und das (zur Vergeltung) planmäßige Anzünden der belgischen Stadt Löwen
durch die deutsche Armee. Die Beschießung der Kathedrale scheint bis heute nicht endgültig
geklärt. Lorenz 1994 sucht durch eine neue ausführliche Augenzeugen-Aussage eines
ehemaligen deutschen Militärarztes die (von französischer Seite bestrittene) damalige
deutsche Rechtfertigung zu untermauern, daß französische Artilleriebeobachter von den
Kathedraltürmen aus das französische Artilleriefeuer leiteten, wodurch die Kathedrale ein
legitimes militärisches Angriffsziel geworden wäre.
Dalcrozes Kritiker argumentierten, daß derartige Verbrechen von Deutschen nicht begangen
werden könnten. Volk und Armeeführung seien untrennbar, wer die Armeeführung
kritisiere, sei ein Feind des Volkes, Dalcroze verkenne den deutschen Nationalcharakter,
sei Deutschland gegenüber undankbar, beleidige Deutschland, sei ein Deutschenhasser...
Vergleiche dazu die zur Verteidigung der Vertreibung Dalcrozes geschriebene Schrift:
Ausschuß zur Gründung eines Vereins... 1915, auch wiederabgedruckt bei Lorenz 1994.
Zum klaren Sachverhalt der angezündeten Stadt Löwen vgl. Schievelbusch 1988.
288 Zur Schließung 1915 und Neugründung 1916 vgl. Die Neue Schule für angewandten
Rhythmus Hellerau 1916. Das Gebäude sollte dem Roten Kreuz als Kriegslazarett zur
Verfügung gestellt werden, entsprechende Verhandlungen zerschlugen sich aber (vgl.
Ausschuß zur Gründung... (Ed.) 1915: 5-6).
Der Krieg brachte den Verlust sehr vieler Schüler und Lehrer (Ausländer, Militärdienst,
Geldknappheit der verbleibenden Schüler), zwang zur Schließung der Schule und verschärfte
die gerade einigermaßen gemeisterten Finanzprobleme extrem. Streit und Trennung
von Dalcroze aus nationalistischen Gründen kamen hinzu und diskreditierten das
Unternehmen zusätzlich. Schon im November 1914 schlossen die deutschen Lehrer und
Schüler der Bildungsanstalt sich zum „Ausschuß zur Gründung eines Vereins zur Erhaltung
der Methode Jaques-Dalcroze in Deutschland“ zusammen. Im März 1915 erklärte
die Bildungsanstalt Konkurs. Die verbliebenen Lehrer hatten als Privatlehrer in Hellerau
weiter gelehrt, eine Nachfrage war vorhanden und die Behörden wohlwollend, so daß erneut
eine Schule gegründet werden sollte und konnte. Im Sommer 1915 wurde der
„Verein für Rhythmisch-musikalische Erziehung Hellerau“ gegründet. Es gelang - auch
durch finanzielle Hilfen von Freunden der Anstalt - ein Vergleich mit den (an der Arbeit
der Anstalt interessierten) Gläubigern.
Von nun an ist zu trennen zwischen der Schule, die das Gebäude mietete oder pachtete,
einerseits, und andererseits dem Gebäudebesitzer (Bildungsanstalt GmbH oder eGmbH;
das sind faktisch Harald Dohrn und seine Generalbevollmächtigter Karl Bruno Schönfelder).
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