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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Diese betonte Befreiung mag die Begeisterung für die Methode er-<br />

„<strong>Wer</strong> in den acht Jahren seit Kriegs<strong>aus</strong>bruch, die die Hellerauer Schule <strong>der</strong> Arbeit in <strong>der</strong><br />

Stille gewidmet hat, die Schülervorführungen <strong>der</strong> verschiedenen Gymnastiksysteme sah,<br />

von den technischen Leistungen <strong>der</strong> Duncan-Schule, dem vernünftigen, körpergemäßen<br />

Mensendick-Turnen, dem seltsam-lebensfremden Gebärdenspiel <strong>der</strong> Steinerschen<br />

‚Eurhythmie‘ bis zur körper- und <strong>aus</strong>drucksbildenden Atemgymnastik <strong>der</strong> Lohelän<strong>der</strong>,<br />

wer sie gar am eigenen Leibe erprobte und - bei aller Freude und körperseelischen Befreiung<br />

- doch im Tiefsten unbefriedigt blieb, <strong>der</strong> atmete auf, als uns die Hellerauer endlich<br />

einmal wie<strong>der</strong> über das bloß Technisch-Körperliche <strong>der</strong> vitalen Bewegungsfähigkeit<br />

hin<strong>aus</strong> in die von ganz an<strong>der</strong>en Kräften gestalteten und belebten Regionen rhythmischen<br />

Schauens und Erlebens hineinführten.“ (Jacobs 1923: 72)<br />

„Was in Hellerau gesucht wird, ist mehr als bloße Körperschulung, mehr auch als die<br />

seelische Lösung, Befreiung, Freude, die <strong>aus</strong> einem lebensvoll und organisch bewegten<br />

Körper quillt: Es ist die Wie<strong>der</strong>erweckung und Entfaltung verlorengegangener, schöpferischer<br />

Seelenkräfte, jener Kräfte, die, weit über die elementaren körperseelischen Lebensschwingungen<br />

hin<strong>aus</strong>, die Triebfe<strong>der</strong>n alles künstlerischen Erlebens nicht nur <strong>der</strong><br />

Kunst, son<strong>der</strong>n aller Dinge und Wesen (Goethe!), ja alles schöpferischen Gestaltens<br />

überhaupt sind.<br />

Rhythmik in diesem Sinne ist mehr als Gymnastik (freilich: heute nennt sich ja alles<br />

Rhythmik, was nicht gerade stramm turnerischen Charakter hat!)“ (Jacobs 1923: 73).<br />

„Was Befreiung <strong>der</strong> schöpferischen Kräfte im jungen Menschen für die Erziehung bedeuten<br />

kann, offenbarten die Dirigierübungen. Diese gewiß we<strong>der</strong> musikalisch genialen<br />

noch menschlich überragend veranlagten Mädels vermögen ihr Erleben <strong>der</strong> Musik mit einer<br />

Eigenart, einer Hingabe und Losgebundenheit des Temperaments und dabei mit einer<br />

Straffheit und Formsicherheit zu gestalten, die ihnen selbst <strong>der</strong> erheblich stärker begabte<br />

und musikalisch-fachlich eingehen<strong>der</strong> vorgebildete Durchschnitts-Kapellmeister nicht<br />

nachmachen wird.“ (Jacobs 1923: 74)<br />

„Entfaltung des Temperaments und <strong>der</strong> schöpferisch gestaltenden Phantasie, das ist die<br />

individuelle Seite dessen, was Hellerau (neben <strong>der</strong> rein körperlichen und <strong>der</strong> fachmusikalischen<br />

Bildung) <strong>der</strong> neuzeitlichen Erziehung zu geben hat. Das ist sehr viel mehr, als<br />

die methodische For<strong>der</strong>ung nach ‚Anregung zur Selbsttätigkeit‘ in sich schließt, die<br />

schon zum Mode-Schlagwort <strong>der</strong> Erziehungsreform geworden ist. Es bedeutet: Entfesselung<br />

<strong>der</strong> vom Erziehungsdrill eines vergehenden Zeitalters unterdrückten vitalen Eigenkräfte<br />

und, gleichlaufend mit ihr, die allmähliche und zielbewußte Höherspannung <strong>der</strong><br />

übervitalen Formkräfte <strong>der</strong> Seele, die, weit entfernt, das Lebendige in starre Grenzwände<br />

einzuschließen, ihm durch ihre schöpferische Gestaltung erst den Charakter des Großen,<br />

des Symbolischen, des Erschütternden verleihen. Es bedeutet: Entfaltung zweier Grundkräfte<br />

<strong>der</strong> Seele“ ... (Jacobs 1923: 74 f.)<br />

„Als das weit<strong>aus</strong> stärkste und zukünftigste Element <strong>der</strong> rhythmischen Erziehung sehe ich<br />

die sozialen Kräfte an, die durch sie <strong>aus</strong>gelöst werden. Das muß man erlebt haben. Man<br />

muß selbst einmal gespürt haben, wie die freien Bewegungen einzelner, erst einan<strong>der</strong><br />

hemmend, miteinan<strong>der</strong> dissonierend, plötzlich, in einem allen spürbaren Augenblick, zur<br />

Harmonie zusammenschwingen, wie <strong>der</strong> große, überpersönliche Strom entsteht, von dem<br />

je<strong>der</strong> einzelne beglückt sich getragen fühlt, und wie von nun an allmählich menschliche<br />

Bindungen sich knüpfen, die, statt <strong>aus</strong> <strong>der</strong> persönlichen Sympathie einan<strong>der</strong> ergänzen<strong>der</strong><br />

Charaktere, erwachsen <strong>aus</strong> dem gemeinsamen Erleben einer irrationalen Einheit, die ein<br />

unvergleichbar an<strong>der</strong>es und Größeres ist als die Summe aller Einzelströmungen, dann<br />

wird man begreifen, wie das Bewußtwerden solchen Erlebens den Samen legen kann zu<br />

einer neuen Art menschlichen Zusammenwirkens, in <strong>der</strong> das Individuum dem Ganzen<br />

sich in Freiheit und <strong>aus</strong> lebendigem Spüren <strong>der</strong> materiellen und seelischen Kraftströme<br />

fügt, die ihm <strong>aus</strong> dem Zusammenklang aller Einzelrhythmen zufließen.“ (Jacobs 1923:<br />

75)<br />

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