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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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seine radikalen Erziehungsvorstellungen, und seine Artikel riefen heftigen<br />

Protest hervor, galten als extrem, anarchisch und libertär, und auch seine<br />

Vortragsreisen über Psychoanalyse und Erziehung verursachten heftige Diskussionen.<br />

Schon im nächsten Heft mußte Beatrice Ensor die streitenden<br />

Gruppen zur Toleranz auffor<strong>der</strong>n.<br />

Die Reformer-Pioniere waren sich durch<strong>aus</strong> einig in <strong>der</strong> Gegnerschaft gegen<br />

Drill-und-Zwangs-Erziehung, an <strong>der</strong> die Erfahrung des höchst brutalen<br />

und im nachhinein ziemlich unsinnigen Weltkrieges mit Millionen Toten zusätzlich<br />

deutliche Zweifel geweckt hatte. Man for<strong>der</strong>te ganz allgemein Individualisierung,<br />

Freiheit, Demokratie, Selbstregierung, Selbstentwicklung, Toleranz<br />

zwischen den Nationen wie in <strong>der</strong> Erziehung. Doch die Mehrzahl <strong>der</strong><br />

Reformpädagogen meinte angeleitete und begrenzte Freiheit im Rahmen <strong>der</strong><br />

bestehenden Moral und guten Sitten, von Geschmack und Anstand, nach den<br />

fertig vorgegebenen Standards und Idealen. In <strong>der</strong> Praxis hieß dies z. B., daß<br />

Kin<strong>der</strong> sanft gezwungen wurden, sich nicht so sehr mit Charlie Chaplin, Limericks<br />

und Foxtrott-Musik, son<strong>der</strong>n mehr mit ernster, hoher Kunst von<br />

Goethe, Blake, Beethoven etc. zu befassen.<br />

Neill dagegen sprach eine an<strong>der</strong>e, radikalere, revolutionärere Sprache als<br />

die große Mehrzahl <strong>der</strong> Reformpädagogen, auch wenn er dieselben Vokabeln<br />

Freiheit und natürliche Entwicklung benutzte wie die vorsichtig reformistischen<br />

Anhänger <strong>der</strong> höheren Kultur und des höheren Lebens (higher life enthusiasts).<br />

Er verwarf jede Erziehung nach o<strong>der</strong> zu (von außen) vorgegebenen Idealen<br />

wie Moral, gutem Geschmack und den üblichen Mißbrauch <strong>der</strong> Selbstregierung<br />

als Mittel zur Durchsetzung vorher feststehen<strong>der</strong> pädagogischer Ziele<br />

des Erziehers. Und er verwarf ebenso alle Autorität, Strafen und Gehorsam,<br />

sofern sie nicht auf freiem gegenseitigen Übereinkommen beruhten.<br />

Neill wollte alle kindlichen Emotionen befreien und diese Befreiung gerade<br />

nicht beschränken auf die in den Grenzen eines vorgeschriebenen guten Geschmacks<br />

liegenden <strong>aus</strong>gewählten Emotionen, wobei dann die <strong>der</strong>beren<br />

Emotionen verdrängt, in den psychischen Untergrund getrieben würden (wo<br />

sie erst recht Unheil anrichten würden). Er betrachtete jede formale Autorität<br />

und Würde, Moralerziehung und Moralisieren generell als schädlich für Kin<strong>der</strong>,<br />

insbeson<strong>der</strong>e Strafen, denn bei Furcht vor Autorität und Strafe muß<br />

lobte: Ohne Stundenplan, ohne sichtbare Autorität betätigten sich die Kin<strong>der</strong> auch ohne<br />

Lehrer, ohne daß ein Unterschied zwischen Arbeit und Spiel erkennbar war. Man hatte<br />

den betonierten Schulhof in einen Garten verwandelt, in dem die Kin<strong>der</strong> lernten und kooperativ<br />

arbeiteten (Croall 1984: 103 f.).<br />

O'Neill gilt als bedeutendster britischer Vertreter <strong>der</strong> Lebensgemeinschaftsschule<br />

(Schmid 1973: 13). Gerard Addison Holmes schrieb seine Biographie: The Idiot Teacher.<br />

A book about Prestolee School and its Headmaster (London: Faber 1952). Vgl. auch Berg<br />

(1973: 48 - 51), A school the children won't leave (1944), Ellerby (1965: 50).<br />

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