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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Neill war während <strong>der</strong> Kindheit und Jugend im Elternh<strong>aus</strong> <strong>der</strong> verträumte,<br />

klägliche Versager und Trottel <strong>der</strong> Familie gewesen, <strong>der</strong> die hochgesteckten<br />

Bildungs-, Moral- und Verhaltenserwartungen seiner Eltern nirgends erfüllen<br />

konnte. In <strong>der</strong> Zeit als Lehrer strebte er selbst erfolgreich nach eben diesen<br />

Zielen seiner Eltern, war konservativ gesinnt, fand Zugang zur bürgerlichen<br />

guten Gesellschaft und ihrer Kultur. Dann, am höchsten ihm vorstellbaren<br />

Punkt, kurz vor dem Erwerb des Akademischen Grades an <strong>der</strong> Universität,<br />

machte er eine völlige Kehrtwendung, warf Religion, bürgerliche Lebens- und<br />

Anstandsvorstellungen und Tradition über den Haufen und gelangte zu einer<br />

gesellschaftskritischen linken Haltung, kritisierte die sozialen Überheblichkeiten<br />

und Verhaltenszumutungen. Er war nun inzwischen Sozialist, Kriegsgegner<br />

247 und wurde kurz nach dem Studienabschluß Mitglied <strong>der</strong> Labour Party.<br />

Neill war nun zeitlebens von einer feindlichen Abneigung gegen Religion,<br />

Schule, Bildungserwartung und Lernzwang, überhaupt Zwängen je<strong>der</strong> Art<br />

geplagt, unter denen er in Kindheit und Jugend gelitten und über die er in seiner<br />

anläßlich seiner Therapie bei W. Reich entstandenen Autobiographie detailliert<br />

berichtet hatte. Diese tief sitzenden Abneigungen bestimmten sein<br />

Lebenswerk ebenso wie seine Überzeugungen.<br />

16.6. Schulmeister in Gretna Green - A Dominie's Log<br />

Ab Oktober 1914 wurde er Stellvertreter des zum Militär eingerückten sehr<br />

scharfen Schulmeisters von Gretna Green.<br />

Hier entdeckte Neill nach sehr kurzen Versuchen mit schärferer Disziplin<br />

(die üblichen Prügel mit Le<strong>der</strong>riemen) seine Abneigung gegen Strafe und sturen<br />

Lernzwang wie<strong>der</strong>, sah die Schule eher mit den Augen <strong>der</strong> Schüler und<br />

baute mit ihnen lieber Drachen, einen Fischteich, ein Boot und ein Taubenh<strong>aus</strong>,<br />

statt Grammatik und an<strong>der</strong>e langweilige Dinge zu lehren.<br />

Er bekannte sich auch zu seiner Unfähigkeit, die traditionelle Ordnung zu<br />

lehren:<br />

„Nach und nach merkten die Kin<strong>der</strong>, daß meine Disziplin <strong>der</strong> reinste Bluff war und<br />

daß es mir nicht das geringste <strong>aus</strong>machte, ob sie etwas lernten o<strong>der</strong> nicht. Aus <strong>der</strong><br />

stillen Schule wurde ein Gartenlokal voller Lärm und Gelächter. Aber wir hielten die<br />

üblichen Unterrichtsstunden ab, und sie lernten vermutlich nicht weniger, als wenn<br />

sie Angst vor mir gehabt hätten.“ (Neill 1982: 122)<br />

247 Neills Vorbild G. B. Shaw hatte in seinem Pamphlet Common Sense about the War argu-<br />

mentiert, die Soldaten sollten ihre Offiziere erschießen und dann heimkehren.<br />

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