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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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gestanden haben. Sie wirkten etwa zur gleichen Zeit im Dresdner Norden.<br />

Otto Rühle war in Dresden zweifellos ein sehr bekannter Mann 221 , und die<br />

Internationale Arbeiterhilfe (I. A. H.) Aufnahme. Aber auch Genossinnen und Genossen<br />

weilten nach <strong>der</strong> Entlassung <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Haft hier.<br />

Das Heim wurde 1920, nach dem Tod von Rühles Frau Johanna und Rühles Ausschluß<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> KPD, als Erholungsheim aufgegeben und von dem Mühlenbesitzer verkauft.“<br />

(Maneck 1976: 11; unter Berufung auf Briefwechsel und Gespräche mit drei Arbeiterveteranen)<br />

221 Über Otto und Alice Rühle existiert keine hinlängliche Biographie, man ist weitgehend<br />

auf die Vor- und Nachworte zu ihren Büchern angewiesen. Die Biographen Otto Rühles<br />

befassen sich fast <strong>aus</strong>schließlich mit dem Politiker und politischen Denker Rühle, nur<br />

selten mit dem Pädagogen o<strong>der</strong> einfach <strong>der</strong> Person Otto Rühle. Von O. Rühles erster<br />

Ehefrau wird nur das Ehe- und Sterbedatum erwähnt, seine Tochter nur als Ehefrau des<br />

Mannes, <strong>der</strong> Rühles Asyl in Mexiko arrangierte. Pädagogisch am brauchbarsten ist L. v.<br />

<strong>Wer</strong><strong>der</strong>s Vorwort zu Rühle (1975). Maneck (1976) bearbeitet nur die uninteressantere<br />

Frühzeit. Unter politischem Aspekt am brauchbarsten die Arbeit von Mergner (1973).<br />

Anscheinend gibt es einfach kein weiteres Material über die Person Rühles, vermutlich<br />

auch, weil Rühles Wohnung mit Archiv, Bibliothek und Verlag 1933 von <strong>der</strong> SA gestürmt<br />

und verbrannt wurde. O. Rühles Nachlass im Archiv des Internationalen Instituts<br />

für Sozialgeschichte (Amsterdam) enthält nur Dokumente <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Exilzeit in Mexiko.<br />

Otto Rühle (geb. 23.10.1874) war als junger Lehrer rasch wegen sozialistischer und freidenkerischer<br />

Tätigkeit entlassen worden und wurde sozialdemokratischer Redakteur und<br />

Partei-Wan<strong>der</strong>lehrer, Landtagsabgeordneter, Reichstagsabgeordneter und Schulspezialist<br />

<strong>der</strong> SPD sowie <strong>der</strong> bedeutendste Unterstützer <strong>der</strong> Arbeiterjugendbewegung im Dresdner<br />

Raum.<br />

Er stimmte im Reichstag am 20.3.1915 zusammen mit Karl Liebknecht als einziger gegen<br />

die Kriegskredite. Seine Kriegsgegnerschaft brachte den Hinterbänkler in die große<br />

Politik: er wurde enger Mitarbeiter Karl Liebknechts, Mitbegrün<strong>der</strong> des Spartakusbundes<br />

(zeitweise Vorsitz) und <strong>der</strong> KPD (Sprecher <strong>der</strong> linksradikalen Mehrheit), nach dem Ausschluß<br />

Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> linksradikalen KAPD, dann <strong>der</strong> syndikalistischen AAUE, wobei<br />

er eng zusammenarbeitete mit dem Kreis um die Zeitung Die Aktion. Als zeitweiliger<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> des Dresdner Arbeiter-und Soldatenrates setzte er den sächsischen König<br />

ab. Nach heftigem Streit mit Lenin in Moskau 1920 war er striktester Gegner <strong>der</strong> bolschewistischen<br />

Parteidiktatur, er for<strong>der</strong>te eine Arbeiterdemokratie durch in Betrieben frei<br />

gewählte Räte und wurde <strong>der</strong> bedeutendste deutsche Rätekommunist.<br />

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Johanna 1920 lernte er 1921 die 20 Jahre jüngere<br />

Individualpsychologin Alice Gerstel kennen, sie heirateten 1923. Alice Rühle-Gerstel<br />

brachte einen Teil ihres Vermögens in den gemeinsam gegründeten Selbstverlag Am an<strong>der</strong>en<br />

Ufer ein, in dem dann ihre <strong>Wer</strong>ke sowie ihre pädagogischen Zeitschriften Am an<strong>der</strong>en<br />

Ufer (1924/1925) und Das proletarische Kind (1925/1926) erschienen.<br />

Aus Ottos Marxismus und Alices Individualpsychologie entwickelten sie gemeinsam eine<br />

marxistische Individualpsychologie (Adlermarxismus) (siehe A. Rühle 1927/1980). Nach<br />

Abklingen <strong>der</strong> revolutionären Bewegung wandelte sich O. Rühle in <strong>der</strong> ersten Hälfte <strong>der</strong><br />

20er Jahre vom Politiker zum Publizisten, Soziologen und Sozialpädagogen.<br />

O. Rühle unterhielt enge Beziehungen zur anarchistischen Arbeiter- und Jugendbewegung,<br />

auch zu Ernst Friedrichs Freier Jugend: „An die ‚Freie Jugend‘ schlossen sich<br />

Rühles ‚Proletarische Kin<strong>der</strong>gruppen‘ an. Mit diesen konkreten Ansätzen einer anarchistischen<br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendpädagogik steht Rühle fast allein. Lediglich Francesco Ferrer,<br />

<strong>der</strong> spanische Begrün<strong>der</strong> einer nichtautoritären Schulpädagogik, ist ihm zur Seite zu<br />

stellen.“ (Lutz v. <strong>Wer</strong><strong>der</strong> / Reinhart Wolff, Nachwort zu Rühle 1975: 228)<br />

Als ihnen klar wurde, daß Deutschland faschistisch werden würde, emigrierten die Rühles<br />

schon 1932, zunächst nach Prag, dann 1935/1936 nach Mexiko. Dort wurde O. Rühle<br />

1936 Sekretär des Ausschusses zur Prüfung <strong>der</strong> in den Moskauer Schauprozessen erhobenenAn-<br />

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