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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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chungskomitee beanstandete zwar offiziell <strong>nichts</strong>, empfahl aber privat deutlich,<br />

einen Rohrstock in <strong>der</strong> Ecke bereitzuhalten. Ebendies tat <strong>der</strong> Lehrer nun<br />

und benutzte ihn häufig, bis Ende 1942 <strong>der</strong> bisherige Hilfslehrer Ben Stoddart,<br />

ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer und ebenso wie Wills ein überzeugter<br />

Anhänger einer freien Erziehung, sein Amt übernahm. Doch während<br />

<strong>der</strong> Regierungszeit <strong>der</strong> Bürgervereinigung war noch <strong>der</strong> alte, verhaßte Lehrer<br />

Hauptlehrer, und <strong>der</strong> von den Jungen geliebte Ben war sein Assistent.<br />

Gemeinsam mit dem friedlichen Sturz des Diktators Wills stürzte die<br />

Bürgervereinigung gewaltsam einen zweiten Diktator, den Hauptlehrer<br />

nämlich. Das war sicher auch eine Nebenwirkung von Wills Methoden, die<br />

gerade nicht zum Gehorsam erzogen, son<strong>der</strong>n zur Selbstbestimmung.<br />

Zunächst schwänzten die älteren Jungen massenhaft die Schule, bis sie erfuhren,<br />

daß dies nur Wills - und nicht den verhaßten autoritären Lehrer - in<br />

Schwierigkeiten brachte. Dann besuchten sie die Schule, verhielten sich jedoch<br />

so offen rebellisch, daß <strong>der</strong> Lehrer schnell resignierte und gar nicht<br />

mehr versuchte, sich durch Prügel Respekt zu verschaffen.<br />

Sein Assistent Ben übernahm nun die älteren Schüler in den Hauptfächern,<br />

auch um einen ungestörten Ablauf des Unterrichts <strong>der</strong> jüngeren Schüler überhaupt<br />

wie<strong>der</strong> zu ermöglichen. Alle übrigen Erwachsenen - einschließlich<br />

Putzfrauen - gaben freiwillig Kurse in Nebenfächern wie Poesie, Holzarbeiten,<br />

handwerkliche Arbeiten, Malen etc., was immer sie konnten. Obwohl<br />

<strong>der</strong> Besuch dieser Kurse freiwillig war, waren sie sehr gut besucht.<br />

Bens Hauptfächer-Pflichtschule wurde nun ähnlich wie das Heim<br />

selbst organisiert: Die Bürgervereinigung übernahm die Verantwortung<br />

für Ordnung und Disziplin. Ihr (rotierend) diensthaben<strong>der</strong> Beamter hatte<br />

Verstöße vor das täglich tagende Komitee zu bringen.<br />

In <strong>der</strong> Schule war die Bürgervereinigung aber weniger erfolgreich als im<br />

Heim - vielleicht deshalb, weil ein Teil <strong>der</strong> Schüler weiterhin dem autoritären<br />

Lehrer unterstand und dies die Sicherheit <strong>der</strong> Freiheit stets bedrohte.<br />

Diese Jungen waren durchweg erfolglose, frustrierte Schüler und fassten ihre<br />

neue Freiheit zunächst vor allem als die Freiheit auf, ihren Haß auf die<br />

Schule <strong>aus</strong>zuleben, wenig zu arbeiten, zu spät zu kommen und sich undiszipliniert<br />

zu verhalten. Ebenso wie 18 Monate zuvor im Heim testeten sie<br />

nun in <strong>der</strong> Schule, wie weit sie gehen konnten, und stellten die Ablehnung<br />

je<strong>der</strong> Zwangsdisziplin erneut auf eine harte Probe.<br />

Auch Curriculum und Lehrmethoden wurden völlig <strong>der</strong> neuen Situation<br />

angepasst und auf die Interessen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> sowie alltägliche praktische<br />

Brauchbarkeit <strong>aus</strong>gerichtet. Dies führte dazu, daß einige ältere Jungen freiwillig<br />

um gezielte Nachhilfe baten. Dar<strong>aus</strong> entstand eine Art Sub-<br />

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