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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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von Jugendlichen geleiteten Kurse in Französisch und in Erster Hilfe. Nachbarn<br />

kamen zu Besuch, je<strong>der</strong> konnte nach Belieben spazierengehen und gelegentlich<br />

wurden mehrtägige Ausflüge unternommen.<br />

Der pädagogische und therapeutische Effekt hatte stets Vorrang vor<br />

wirtschaftlicher Effektivität. Daher wurden auch viele eigentliche Freizeitaktivitäten<br />

als Arbeit betrachtet, die in <strong>der</strong> Arbeitszeit, also vormittags getan<br />

werden konnten und entsprechend bezahlt wurden.<br />

14.4. Die Selbstregierung<br />

Arbeit, Arbeitsverweigerung und die Organisierung des Gemeinschaftslebens<br />

waren die beherrschenden Themen <strong>der</strong> gesetzgebenden und rechtsprechenden<br />

Vollversammlung (Lagerrat, camp council), die schnell zur regelmäßigen<br />

wöchentlichen Einrichtung wurde. Daß man die anfallende Arbeit untereinan<strong>der</strong><br />

teilen sollte, war allgemein akzeptiert. Arbeitsverweigerung wurde in den<br />

beiden ersten Jahren zwar allgemein, jedoch nur schwach und folgenlos von<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Meinung des Lagerrates mißbilligt.<br />

Zu Beginn agierten die Helfer im Lagerrat als selbstbestellte Sitzungsleiter<br />

und Protokollführer. Nach zwei Monaten wurden Jugendliche dazugewählt,<br />

und in <strong>der</strong> Folgezeit wurden Helfer, relativ zu ihrer Anzahl, kaum häufiger in<br />

Ämter gewählt als Jugendliche.<br />

Die Helfer versuchten jede Zwangsautorität zu vermeiden, so daß <strong>der</strong><br />

Lagerrat die einzige und höchste Autorität war, die mit allen Problemen fertig<br />

werden mußte. Die Regelung aller Probleme per Mehrheitsbeschluß (Gesetz,<br />

Urteil) wurde nie ernstlich in Zweifel gezogen.<br />

Trotzdem ging vom Lagerrat kaum eine wirkliche Regierungsgewalt <strong>aus</strong>.<br />

Die Jugendlichen zeigten nämlich starke Abneigung, selbst Regierungsgewalt<br />

und Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Sie warteten<br />

lieber ab und hofften, daß äußere Autoritäten eingreifen würden. Die<br />

aber gab es nicht.<br />

Die Jugendlichen zeigten außerdem eine starke Abneigung gegen jede<br />

Zwangs-Sanktion und Strafe. Dabei orientierten sie sich sicher auch an den<br />

- als reifer bewun<strong>der</strong>ten - Erwachsenen im Camp, die Strafen ablehnten und<br />

nicht anwendeten.<br />

Zur Beurteilung mancher Handlungen - z. B. Diebstahl - waren keine förmlichen<br />

Gesetze notwendig, da es eine Art allgemein anerkannten Gewohnheits-Rechtes<br />

gab. Doch auch sonst wurden exakte Vorschriften lieber vermieden<br />

und einvernehmliche Regelungen angestrebt, die die Gegner <strong>der</strong><br />

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