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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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– den Gerichtskommissar für die Jungen,<br />

– den Gerichtskommissar für die Mädchen. Beide überwachten die Durchführung<br />

<strong>der</strong> vom Gericht verhängten Maßnahmen und Strafen,<br />

– den Beamten für öffentliche Arbeiten (officer of the public works department).<br />

Meist war er <strong>der</strong> einzige Vollzeitbeamte und konnte Teilzeithelfer<br />

einstellen. Er reinigte das Gelände und inspizierte allgemein die Sauberkeit<br />

und Ordnung in allen Häusern, insbeson<strong>der</strong>e die Abfall- und Abortgruben.<br />

Pflichtvergessene, unordentliche Familien und H<strong>aus</strong>mütter wurden von ihm<br />

verwarnt und notfalls angeklagt.<br />

Eine Amtsübernahme war eher ein Dienstangebot als eine Ehre. Rücktritt und<br />

Abwahl war je<strong>der</strong>zeit möglich. Die Verantwortung <strong>der</strong> Gemeinschaft blieb<br />

aber stets erhalten und wurde nicht auf ihren Repräsentanten (Beamten) abgeschoben.<br />

Je<strong>der</strong> konnte vor dem Gericht klagen und auch Lane und sogar den Trägerverein<br />

verklagen, z. B. wenn durch <strong>der</strong>en Schuld eingetretene Verluste ersetzt<br />

werden mußten.<br />

Strafen passten schlecht in die familiäre Atmosphäre, und Lane hielt wenig<br />

von Bestrafung. Ein Gefängnis gab es daher nie, und die in <strong>der</strong> Ford Republic<br />

noch üblichen Verspottungs- und Karzerstrafen ebenfalls nicht. Stattdessen<br />

tauchen gelegentlich, wie häufiger in <strong>der</strong> psychoanalytischen Literatur, Strafen<br />

auf, die eher Belohnungen zu sein scheinen und nicht Schreckliches an<br />

sich haben, z. B. ein einwöchiger Urlaub auf Kosten <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />

Es gab jedoch eine merkwürdige, nicht ins Bild passende schwere Strafe,<br />

die (wahrscheinlich) nach und nach abgeschafft wurde und damals ebenso wie<br />

noch 40 Jahre später bei den ehemaligen Bürgern sehr umstritten war (Wills<br />

1964a: 147 f.): H<strong>aus</strong>arrest (close bounds) konnte vom Gericht verhängt werden,<br />

traf aber auch automatisch jeden, <strong>der</strong> seine Arbeit verloren hatte. Die mit<br />

H<strong>aus</strong>arrest Bestraften mußten während <strong>der</strong> gesamten Arbeitszeit auf dem Hof<br />

bereitstehen und alle Schuhe putzen. <strong>Wer</strong> mit ihnen redete o<strong>der</strong> verkehrte,<br />

bekam ebenfalls drei Tage H<strong>aus</strong>arrest. Der Bestrafte durfte nicht im Familienwohnzimmer<br />

sitzen, mußte früher ins Bett gehen und fiel, da er kein Geld<br />

verdiente, <strong>der</strong> Familie zur Last. Die Strafe bestand also im wesentlichen im<br />

massiven und demonstrativen Ausschluß <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gemeinschaft, eine gerade<br />

im Peergroup-Alter sehr harte Strafe, die aber bei fast allen mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

selbstregierten Einrichtungen vorkommt.<br />

Wie früher bereits beschrieben, waren die wenigen Erwachsenen am<br />

Selbstregierungssystem gleichberechtigt beteiligt und nahmen - an<strong>der</strong>s als<br />

George - gezielt Einfluß, aber ohne ihren Willen und ihre Vorstellungen aufzudrängen.<br />

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