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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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In manchen dieser Republiken besteht ein eigenes Wirtschaftssystem mit<br />

einer eigenen Bank und einer eigenen Währung, in <strong>der</strong> die jungen Bürger für<br />

ihre Arbeit in Schule, H<strong>aus</strong>halt und <strong>Wer</strong>kstätten bezahlt werden. Mit diesem<br />

Einkommen in eigener Währung müssen die Jugendlichen dann für ihren eigenen<br />

Unterhalt aufkommen (Miete, Mahlzeiten) und <strong>der</strong> eigenen Regierung<br />

Steuern zahlen, mit dem Rest (ein Taschengeld) gehen sie im Republikladen<br />

einkaufen.<br />

Republikanische Selbstregierungsformen sind alltäglich und gewöhnlich in<br />

Staat, Gemeinden, freiwilligen Verbänden und Vereinen (mit satzungsgeben<strong>der</strong><br />

Jahreshauptversammlung, Verbandsgericht, gewähltem Vorstand). Im<br />

Erziehungswesen dagegen sind solche Formen ungewöhnlich, wenngleich<br />

keineswegs neu.<br />

Schon in <strong>der</strong> Französischen Revolution gab es starke, aber schließlich kaum<br />

realisierte Bestrebungen, die Heime und Schulen ebenso wie den Staat als<br />

selbstregierte Republiken zu organisieren. Später übernahmen Vertreter des<br />

radikal linken Flügels <strong>der</strong> reformpädagogischen Bewegung das Modell für ihre<br />

oft koedukativen Erziehungsheime für meist delinquente, erziehungsschwierige,<br />

neurotische o<strong>der</strong> elternlose Kin<strong>der</strong> und Jugendliche. Und <strong>der</strong> als<br />

Kreuzzug für die Demokratie geführte Zweite Weltkrieg führte zur Umerziehung<br />

(reeducation) <strong>der</strong> faschistischen Völker zur Demokratie, wobei am<br />

Rande wie<strong>der</strong> einige selbstregierte <strong>Kin<strong>der</strong>republiken</strong> errichtet wurden.<br />

Danach erinnerte sich die Studentenbewegung 4 zumindest noch an einzelne<br />

Vertreter und Beispiele selbstregierter Republiken (Bernfeld, Makarenko,<br />

Neill, frühsowjetische Republiken und die sozialdemokratischen deutschen<br />

Falkenrepubliken), befaßte sich aber mehr mit gemeinschaftlicher antiautoritärer<br />

Selbstregulierung <strong>der</strong> Kleinkin<strong>der</strong> in Familie und Kin<strong>der</strong>garten und<br />

drang nicht tiefer in die Thematik selbstregierter Heime ein. Der politische<br />

Schwenk vom antiautoritären Anarchismus und Linkssozialismus zum dogmatischen<br />

Bolschewismus <strong>der</strong> studentischen Arbeiterparteien und damit von<br />

<strong>der</strong> antiautoritären zur proletarischen Erziehung ließ die Selbstregierung<br />

schnell wie<strong>der</strong> in Vergessenheit geraten.<br />

Die kleine studentische Heimkampagne 5 <strong>der</strong> 60er Jahre for<strong>der</strong>te zwar die<br />

Demokratisierung und Selbstverwaltung <strong>der</strong> Heime durch Jugendliche<br />

(Brosch 1971: 97), konnte aber wegen ihrer pädagogisch naiven, rein politischen<br />

Vorstellung von Selbstregierung keinen Erfolg haben und nur die<br />

planlose Massenflucht <strong>aus</strong> den Heimen bewirken. Um diese Flüchtlinge auf-<br />

4 Dies zeigt sich z. B. in den damaligen Neuauflagen und Raubdrucken längst vergriffener<br />

<strong>Wer</strong>ke.<br />

5 Zur Heimkampagne siehe: Autorenkollektiv (1976: 334, 339, 345 ff.) sowie zur Münchener<br />

Südfront Becker (1971: 118 ff.), vergleiche auch Brosch (1971: 96 ff.), Homes<br />

(1984).<br />

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