Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Am Ende jeder Woche wurde abgerechnet. Wer zu wenig verdient hatte,
und das waren manchmal die Hälfte der Jungen, fiel der Staatskasse zur Last
und lebte von den Steuern der Kameraden. Außerdem konnte er die Beiträge
der Sport- und Erholungsgesellschaften der Republik nicht aufbringen
und also ihre Anlagen und Geräte nicht nutzen. Wer Schulden hatte, durfte
die Republik nicht verlassen und konnte zu den täglich neunstündigen
Staatsarbeiten unter der Aufsicht des Sheriffs verpflichtet werden, um die
Schulden abzuarbeiten.
Schlechtgemachte Betten wurden mit 50 Cents bestraft, wer unvorbereitet
zum Unterricht erschien, erhielt (pro Stunde) 10 Cents von den 1,25 $ Schulgehalt
abgezogen. Die aufwendige Buchführung von Arbeitszeiten, Entlohnung
etc. sollte auch ein Anreiz zum Lesen, Schreiben und Rechnen sein.
In einigen Zeitungsartikeln (in Wills 1964a: 90 - 99) beschrieb Lane im
Frühling 1909 jeweils eine frühe gesetzgebende Staatsversammlung und
Bürgergerichtsversammlung der 54 Jungen und 5 Erwachsenen im Schulzimmer
des Commonwealth of Ford.
Der vierzehnjährige Präsident leitete die Versammlung. Man redete einander
als Mister mit Titeln und Nachnamen an und achtete sehr auf die förmliche
Würde des Hohen Hauses, sofern man es nicht gerade im handfesten
Streit beschimpfte und bedrohte und dabei jegliche Form vergaß. Die Lehrerin
war als gewählte Staatssekretärin für das Protokoll zuständig, und der
Sheriff beförderte einige Parlamentarier vorzeitig ins Bett, weil sie die wiederholten
Ordnungsrufe des Präsidenten mißachtet oder ihn gar beleidigt hatten.
Nebenbei wurden das Banksystem sowie die Privatunternehmer der
Republik erwähnt. Das Abbrechen großer Baumäste, das Austrinken von Eiern
im Hühnerstall, sowie unsauberes Erscheinen im Speisesaal wurden nach
einiger Diskussion für ungesetzlich erklärt.
Dem Leiter der öffentlichen Arbeiten wurde Untertauchen im Bach angedroht,
sollte er den Badeofen nicht besser heizen.
Lane förderte und unterstützte schon damals bewußt auch die Realisierung
unvernünftiger Vorschläge und Forderungen: Die deutliche Erfahrung
der Folgen bringt den sonst endlos rumorenden Unsinn deutlich zutage und so
ein für alle Mal vom Tisch. Als die Jungen ständig Eis zum Nachtisch forderten,
obwohl sie wußten, daß einfach kein Geld dafür vorhanden war, schlug
der verzweifelte Lane in der Staatsversammlung ein sofort beschlossenes Gesetz
vor, das dreimal täglich Obsttorte und Eis vorschrieb. Die Republik
schlemmte drei herrliche Tage, dann waren Speisekammer und die wöchentliche
Küchenkasse leer. In der zweiten Wochenhälfte mußte man von den
reichlich eingelagerten Bohnenvorräten leben, und auch dies blieb eine unvergessliche
Erfahrung.
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