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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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doing), und durch wirkliche Verantwortung mit Bürgerrechten und Bürgerpflichten<br />

an <strong>der</strong> Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Ordnung beteiligt werden.<br />

Gaggell (1920: 42 - 46) beschrieb das bei <strong>der</strong> Gründung übliche Verfahren.<br />

Gill selbst o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schuldirektor hielt den versammelten Schülern eine begeisternde<br />

Rede über Regierungssysteme allgemein und amerikanisches Bürgertum<br />

im beson<strong>der</strong>en. Die Schüler wurden ermuntert, die Schulleitung um<br />

Gewährung einer Selbstregierung mit selbstverfasster Schulordnung<br />

(School republic laws) zu ersuchen. Dies war verbunden mit einer von allen<br />

Schülern unterschriebenen Bürgschaft, die Ordnung einzuhalten und sich dem<br />

eigenen Gericht zu unterwerfen.<br />

„Der Lehrkörper <strong>der</strong> Schule gewährt den Schülern einen Stadtfreibrief, genau wie die<br />

Staatsbehörde einer wirklichen Gemeinde Stadtrecht verleiht.“ (Meyer-Markau 1908:<br />

141)<br />

Die Bürger <strong>der</strong> Schulstadt wählten Schüler als Bürgermeister, Richter, Stadtschreiber,<br />

Kassenführer, Polizeichef, Bibliothekar, den Gesundheitsbeamten<br />

für Hygiene und Reinlichkeit sowie einen Feuermarschall für die Feuerübungen.<br />

Die einzelnen Bezirke wählten entsprechende Unterbeamte sowie Delegierte<br />

zum gesetzgebenden Stadtparlament. Dies erließ Gesetze über die Sauberkeit<br />

von Kleidung, Händen und Gesicht, über pünktlichen regelmäßigen<br />

Schulbesuch, Feuergefahr etc. Der Schulleiter hatte ein Vetorecht. Die Lehrer<br />

bildeten das Obergericht als Berufungsinstanz gegen alle Urteile. Ausstoßung<br />

<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Bürgerschaft und Unterstellung unter die Autorität <strong>der</strong> Lehrer<br />

galt als schlimmste Strafe des jugendlichen Bürgergerichts. Die eigentliche<br />

Strafe war dabei zweifellos nicht <strong>der</strong> - nur geringe - Freiheitsverlust, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> demonstrative zeitweise Ausschluß <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Klassengemeinschaft, ein regelrechter<br />

Boykott, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s im Peergroup-Alter schwer zu ertragen ist.<br />

Nach Vorversuchen in einer New Yorker Ferienschule führte Gill dieses<br />

System im Jahre 1897 in einer berüchtigten New Yorker Slum-Volksschule<br />

ein: <strong>der</strong> Public School No. 69 mit 1200 Schülern. Bald konnte <strong>der</strong> Polizist,<br />

<strong>der</strong> hier stationiert gewesen war, um in den P<strong>aus</strong>en das Schlimmste auf dem<br />

Schulhof zu verhin<strong>der</strong>n, abgezogen werden. (Foerster 1953: 302)<br />

Das School-City-System verbreitete sich in den folgenden Jahren in New<br />

York und in den USA. Am bekanntesten wurde die State Normal School in<br />

New Paltz, N. Y. Unter Gills persönlicher Leitung wurde das School City<br />

System in den Indianerschulen <strong>der</strong> USA eingeführt sowie zur Amerikanisierung<br />

<strong>der</strong> im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 eroberten, unter Militärverwaltung<br />

stehenden Kolonien Kuba und Philippinen exportiert (Holl 1971:<br />

205 ff.). So wurde Kuba <strong>der</strong> erste Staat mit allgemein durchgeführter<br />

Schülerselbstregierung.<br />

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